1857 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
Die Normannen.
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dem Schwerte fechten und das Kriegsroß tummeln, die Bucht durch-
schwimmen, das 13 Ellen lange Ruder führen und das Boot steuern;
denn alle Normannen waren als Insel- oder Küstenbewohner auf die
Fischerei in der See gewiesen, Norweger und Schweden überdies schon
durch die Unergibigkeit ihres Bodens; die nordischen Meere sind aber
durch die Strömungen der gewaltigen Ebbe und Fluth, durch Stürme
und Nebel, Klippen und Sandbänke auch für die Küstenfahrt so gefähr-
lich, daß die Fischer, welche sich an diese gewöhnt haben, das offene
Meer nicht scheuen. Für weitere Fahrten bauten die Normannen Schiffe,
die bis 120 Mann faßten, also ungefähr in der Größe der griechi-
schen zu Homers Zeiten; sie wurden auch wie diese öfter durch Ruder
als durch Segel fortbewegt, aber statt breiter, flachkieliger Schiffe,
wie sie Griechen und Römer bauten, waren die großen normannischen
Schiffe („die Drachen") lang und schmal mit tiefem scharfem Kiel,
scharfen Hinter- und Vordersteven, um Wellen und Strömungen leichter
zu brechen und schneller zu fahren. Im Kampfe mit der wilden nor-
dischen Natur, in den Fehden ihrer Häuptlinge und der Ausübung der
Blutrache erstarkten diese nordischen Germanen zu furchtbaren Kriegern,
deren Kampflust durch ihre Religion noch gesteigert wurde. Dieselbe steht
mit der eigentlich germanischen bekanntlich im engsten Zusammenhänge;
sie ist ein Polytheismus, welcher den ursprünglichen Glauben an einen
Gott noch durchschimmern und ziemlich genau erkennen läßt, auf welche
Weise der eine Gott in verschiedenen Thätigkeiten erscheinend allmälig in
der Vorstellung des Volkes zu einer Mehrzahl von Göttern wurde. Auch
finden sich in derselben Anklänge an die alten orientalischen Religionen
(Erinnerungen aus der gemeinschaftlichen Urzeit der Völker), im Ganzen
aber erweist sich diese sogenannte Naturreligion als eine ächte Tochter
des europäischen Nordens. Im Anfang (erzählt die Sage) waren
Niflheim, die Welt der Kälte, und Muspelheim, die Welt des Feuers;
aus den Funken, die auf das Eis sielen, entstanden Niesen und Götter,
welche die jetzige Welt schufen und ordneten. Die Erde (Midgard) ist
von dem Meere umgeben, in welchem die ungeheuere Midgardsschlange
liegt; unter ihr ist Niflheim, Helas Wohnung, düster, kalt, freudelos;
ober ihr Asgard, die Wohnung der Götter und Göttinen, durch die
Brücke Bifrost (Regenbogen) mit Midgard verbunden. Die Götter
(Asen, d. h. die Glänzenden; Odin steht an ihrer Spitze; den zwölf
Asen entsprechen zwölf Afinen) haben den bösen Loki gefesselt und ebenso
auch die andern Ungethüme, welche nur auf die Vernichtung der jetzigen
Welt sinnen. Die Götter walten über die Natur und spenden deren
Gaben, sie wachen auch über die Menschen und deren Werke, verleihen
Kraft, Muth, Erkenntniß, Sieg und Reichthum. In Asgard, in Odins
Palast, ist Walhalla, der herrliche Saal, in welchen durch 450 Thore