1857 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
190 Das heilige römische Reich deutscher Nation.
ein bis 1154 dauernder Bürgerkrieg England. Heinrich I. hinterließ
nämlich nur eine Tochter Mathilde, welche als kinderlose Wittwe Kaiser
Heinrichs V. den Grafen Gottfried von Anjou ehelichte, der von seiner
Helmzier, einem Ginsterzweige (pianta Aenesta), den zufälligen Bei-
namen Plantagenet führte, mit welchem die Geschichte das von ihm
stammende stolze Herrschergeschlecht bezeichnet. Nach Heinrichs!. Tod
wollte Mathilde die Rechte ihres Sohnes Heinrich geltend machen, ver-
mochte aber damit nicht durchzudringen, so lange Stephan I., Graf von
Blois und Chartres, lebte, der als Schwager Heinrichs I. den engli-
schen Königsthron ansprach und behauptete. Nach seinem Tode (1154)
bestieg der Plantagenet Heinrich Ii. ohne Widerstand den Thron; sein
väterliches Erbe, Anjou und Maine, hatte er durch seine Vermählung
mit der geschiedenen Königin Eleonore (s. oben S. 186) mit Gupenne
und Poitou vermehrt, die Normandie hatte er erobert, so daß er noch
mächtiger dastand als Wilhelm der Eroberer. Dieser Heinrich H. (1154
bis 1189), ein Zeitgenosse des Kaisers Friedrich I., war diesem in vieler
Beziehung ähnlich, doch gewaltthätiger und rücksichtsloser, in seinem Pri-
vatleben aber keineswegs so tadellos wie der hochsinnige Hohenstaufe.
Auch er gerieth mit dem Papste in Konflikt, indem er 1164 durch die
sogenannten Konstitutionen von Klärenden die Rechte der Kirche zu ver-
nichten drohte. Diesen Konstitutionen zufolge waren die Geistlichen den
königlichen Gerichten gänzlich unterworfen, der König selbst die höchste
Instanz; ohne königliche Erlaubniß durfte kein Bischof in das Ausland
reisen, kein königlicher Vasall gebannt oder erkommunicirt werden; die
Entscheidung, ob ein strittiges Gut weltliches Lehen sei oder der Kirche
gehöre, fiel einem Gerichte von zwölf Geschworenen anheim; die Be-
sitzungen der Bischöfe sollten als königliche Lehen den weltlichen Baro-
nieen gleichgestellt sein, die Einkünfte der erledigten Bisthümer und Ab-
teien bis zu ihrer Wiederbesetzung dem Könige zufallen, die Wahlen für
dieselbe durch vom Könige ernannte Geistliche in dessen Gegenwart und
mit dessen Zustimmung vorgenommen werden und der Gewählte sollte
den Lehenseid schwören. Der Erzbischof von Kanterbury, Thomas Decket,
trat für die kirchlichen Rechte in die Schranken, wurde aber von dem
Könige ans England verbannt (1065) und mehrere hundert unschuldige
Verwandte und Freunde desselben, selbst deren Weiber und Kinder, traf
dasselbe Schicksal. Durch die Vermittlung des Papstes kam ein Ver-
gleich zu Stande, der Erzbischof kehrte (1170) nach England zurück, er-
bitterte aber den König neuerdings, als er einige seiner gewaltthätigsten
vornehmen Diener mit dem Banne belegte. Im Zorne rief Heinrich Ii.
einmal aus: „ist denn unter den Feiglingen, die mein Brot essen, keiner,
der mich von dem feindseligen Menschen befreite?" Vier Ritter eilten
alsbald fort und ermordeten den Erzbischof mit vielen Streichen an dem