1857 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
Der Adel und das Ritterwesen.
195
Der Adel und das Ritterwesen.
Die Zeit der Kreuzzüge ist das Heldenalter des Adels. Seitdem
der Heerbann aufgehört hatte, weil die Zahl der gemeinen Freien mehr
und mehr schwand, bildete sich ein eigener Stand aus, der mit dem
Adel verwuchs, der Ritterstand. Diejenigen Freien nämlich, welche so
viel Eigenthum besaßen oder so viel Gut zu Lehen trugen, daß sie den
Heeresdienst zu Rosse thun konnten, wurden nun das eigentliche Kriegs-
Volk; daher heißen sie auch in den Urkunden milit68, während sie sich
selbst von ihrem Dienste zu Rosse „Ritter" nannten. Diese Krieger
erhielten für ihre Kriegsdienste von den Königen, Herzogen und Gra-
fen, dem hohen Adel, Sold, und wie oben bei dem Römerzuge beispiel-
weise angegeben worden ist, Saumpferde, Pferdebeschläge, Felle und an-
dere Kriegsbedürfnisse, oder auch, was viel erwünschter sein mußte, Le-
hen, wodurch der Ritter, der manchmal als jüngerer Sohn außer Na-
men und Rüstung nichts sein nannte, zu einem Gutsherrn wurde, dem
zinsbare Bauern dienten. Der Sohn des Ritters erhielt durch seine
Geburt das Lehenrecht, während andere freie Leute, Bauern und Bür-
ger, dasselbe thatsächlich verloren, weil sie dem Könige oder einem Lan-
desherrn nicht regelmäßig und auch nicht zu Rosse Kriegsdienste thaten.
Nach der Weise des Mittelalters, wo sich der Gleiche dem Gleichen an-
schloß und diese Verbindung genau regelte, bildete nun auch die Ritter-
schaft eine Genossame, in welche die Berechtigten feierlich ausgenommen
wurden, wenn sie nach den Gesetzen vorbereitet waren und gelobt hatten, die
Verpflichtungen der Ritterschaft gewissenhaft zu erfüllen. Während der
Kreuzzüge trafen sich die Ritter aller Nationen in Palästina, und die
ausgebildetere Regel der französischen Ritterschaft wurde auch von den
Deutschen angenommen, was bei der englischen, niederländischen und
italienischen noch schneller geschah; so entstand eine europäische ritterliche
Kameradschaft, und der Ritter fand überall Genossen, die sein ritter-
liches Recht anerkannten und nöthigenfalls vertheidigten, so daß der
kriegsgefangene Ritter sich ritterliches Gefängniß und ritterliche Be-
handlung ausbitten durfte. Wer Ritter werden wollte, mußte Nach-
weisen, daß er ehelicher Geburt und freien Geschlechtes sei, ritterlichen
Waffendienst und ritterliche Sitte ordnungsmäßig erlernt habe. Zum
Empfang des feierlichen Ritterschlags bereitete er sich vor durch Gebet,
Fasten und den Genuß der heiligen Sakramente. Dann gelobte er, täg-
lich die Messe zu hören, für den christlichen Glauben zu streiten, die
Kirche und deren Diener gegen ihre Feinde zu vertheidigen, Wittwen,
Waisen und Minderjährige bei ihrem Gute zu schützen, ungerechten Krieg
zu meiden, für die Befreiung eines jeden Unschuldigen mit dem Schwerte
einzutreten, Turniere nur zum Zwecke kriegerischer Uebung zu besuchen,
13*