1857 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
Der Minnesang.
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Turniere kosteten gar manchem Leben und Gesundheit; sie wurden von
Päpsten, Bischöfen und von Koncilien verboten, dauerten aber dessen-
ungeachtet fort, bis König Heinrich Ii. von Frankreich durch einen Gra-
fen Montgommery 1559 aus Ungeschicklichkeit tödtlich verwundet wurde.
Durch den Adel kamen auch die Wappen auf; zuerst waren sie Unter-
scheidungszeichen der Krieger, an welchen sie einander erkannten, dann
wurden sie erblich und auch von den Städten angenommen; so entstand -
eine eigene Wissenschaft, die Heraldik, welche sich mit der Deutung der
Wappen beschäftigte.
Der Minnesang.
Des Ritters Hand führte aber nicht bloß das gewichtige Schwert,
sie ließ auch die Harfe klingen zum selbsterfundenen oder erlernten Liede.
Das ganze Wesen des Ritterthums in seiner Blüte, wie in seiner Ent-
artung spiegelte sich in einer eigenthümlichen poetischen Literatur ab,
deren Träger und Pfleger Ritter und Höfe, deren Stoffe ritterliche Tha-
ten und Tugenden, Gottes- und Frauenliebe waren; von dieser ritter-
lichen oder höfischen Dichtung, die als Kunstpoesie im Gegensätze zur
Volksdichtung auftrat, ist uns gar vieles erhalten und höchst wichtig für
die Kenntniß der geselligen und sittlichen Zustände wie der politischen
Parteien des Mittelalters. Am frühesten erwachte der ritterliche Sang
im Gebiete der provenyalischen Sprache, in Südfrankreich und im nord-
östlichen Spanien; hier wanderten die Troubadours (Erfinder, von trou-
ver; sie waren Dichter und Sänger in einer Person) von Burg zu
Burg, von einem Feste zum andern, und fanden allenthalben gastliche
Aufnahme, denn ihre Lieder waren die Würze der geselligen Unterhal-
tung für Herren und Frauen, und die Vornehmsten suchten ihren Ruhm
darin, auch als Dichter zu glänzen oder doch die Dichtkunst auf jegliche
Weise zu hegen und zu pflegen. Während Frauenliebe der Grundton
der provenyalischen Dichtung war und blieb, wurde in Nordfrankreich
und England vorzugsweise die ritterliche Heldendichtung gepflegt, welche
theils die Thaten und Sagen von Karl dem Großen, vom König Artus,
dem walisischen Helden und dessen Genossen und vom heiligen Gral zu
ihrem Mittelpunkte machte, theils Helden der heidnischen Vorzeit, Ale-
xander den Großen und Aeneas, zu christlichen Rittern umschuf und besang.
Die Kreuzzüge verliehen dem ganzen Leben der Zeit und nament-
lich auch der Dichtkunst höhern Schwung und religiöse Weihe, das ferne
wunderbare Morgenland in seinen Beziehungen und Kämpfen mit dem
Abendland bot der dichterischen Einbildungskraft unerschöpfliche Stoffe;
sie brachte aber auch die Völker Europas in gegenseitigen und innigen
Verkehr, sie lernten ihre Sprachen, Geschichten und Sagen gegenseitig