1857 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
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Das heilige römische Reich deutscher Nation.
kennen, und in dieser Zeit war es, wo auch im deutschen Reich die
Nitterdichtung aufkam und schönere Blüten trieb als irgendwo (1150
bis 1240). Unter den Hohenstaufen, welche die Dichtkunst liebten und
fast sämmtlich selbst Dichter waren, erreichte die Dichtkunst ihre höchste
Vollendung durch Walter von der Vogelweide. Man nannte die Dichter
Minnesänger, „Sänger der Liebe"; schon die alten Deutschen zeichneten
sich im Gegensätze zu den Griechen und Römern durch ihre Hochachtung
des weiblichen Geschlechtes aus, das Christenthum veredelte das ganze
Verhältniß der Geschlechter, die Marienverehrung gab der Frauenver-
ehrung überhaupt einen idealen, himmlischen Schwung. Schwache und
Hilflose und somit vor allem die Frauen zu ehren und zu schützen hieß
eine der ersten Pflichten des Ritterthums, den Frauen zu huldigen, indem
man in ihrem Aufträge und um ihres Beifalles willen ritterliche Thaten
ausführte, wurde zur Sitte (und früh genug zur Unsitte) der Zeit (Frauen-
dienst). Die deutschen Minnesänger sangen aber nicht bloß den Preis
edler Frauen, sondern zugleich auch der Heiligen, der Helden und des
Vaterlandes; sie sangen von Frühlingslust und Vogelschall, vom Waldes-
grün und dem Blumenschmelz der Haide; es ist auffallend, wie diese
Kriegsmänner einen so offenen Sinn für die Schönheit der Natur hat-
ten, während die klassischen Völker in dieser Weise kaum berührt wurden.
Hieher gehören außer dem herrlichen und vielseitigen Walter von der
Vogelweide die Dichter Heinrich von Veldegg, Wolfram von Eschenbach
(der Parcival), Hartmann von der Aue (Jwein, Gregor auf dem
Stein), Konrad von Würzburg, Gottfried von Straßburg; bis auf den
letzten sind alle übrigen, und zu ihnen ließen sich noch gar viele Namen
anreihen, Edelleute gewesen, und der ritterlich religiöse Geist der Zeit
durchdringt deren Dichtungen, aber auch schon jener Geist, der unreine
Liebesglut verherrlicht und nach der Emancipation des Fleisches von allen
göttlichen und menschlichen Geboten sich sehnt (Gottfrieds von Straßburg
Tristan und Isolde). In dieser Periode lebte auch der Dichter des großen
Epos „der Nibelungen", dem die altheidnische Heldensage (Siegfried
der Drachentödter, König Günther zu Worms, Brunhilde und Chriem-
helde, der grimme Hagen, Dietrich von Bern, Etzel der Hunnenkönig)
zu Grunde liegt; es ist auch dieses Geistes ein Nachklang aus der Zeit
des heidnischen Germanenthums und der Stürme der Völkerwanderung,
wo Rache, Kampflust und Beutegier die deutschen Mannen in immer
erneuerten Kampf treibt und der Tod auf der Walstatt nach Walhalla
führt. Zn den Nibelungen gehen die Helden einmal zur Kirche, aber
um Streit anzufangen, der Sterbende denkt weder an Himmel noch an
Hölle, sondern freut sich seiner Rache, der Trauer und des Weheklagens,
das seine Hand bereitet hat.