1857 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
Die Wissenschaft.
207
durch die Wahrheit frei zu werden raubt und verbietet, wie er auf der
andern Seite durch die Erlaubniß der Vielweiberei, durch die Degra-
dierung des weiblichen Geschlechts und sein Haremsparadies dem heidni-
schen Laster Thür und Thor öffnet, den Adel der Familie und dadurch
die höhere Entwicklung des Volkslebens vernichtet.
Betrachten wir diesen Gegensatz der christlichen und mosleminischen
Welt, so müssen wir uns einerseits verwundern über die Wißbegierde
unserer Vorfahren, die auch auf mohammedanischem Boden ärnteten, als
sie unter Unkraut und Giftpflanzen auch Aehren erblickten, andererseits
aber darf es uns keineswegs befremden, wenn wir hören, daß besonders
die alten Physiker, zunächst die Schüler der Araber, bei dem Volke der
Zauberei verdächtig wurden.
Von dem kabbalistischen Treiben der Juden wie von dem alchemisti-
schen und astrologischen der „Heiden" war eine dunkle Kunde auch unter
das Volk gedrungen; den Weizen des jüdisch-arabischen Wissens von der
Spreu zu sondern, dazu waren auch nicht alle christlichen Gelehrten be-
fähigt oder geneigt, die Alchemisten und Astrologen spielten besonders
seit dem spätern Mittelalter und bis ins 17. und „philosophische" 18.
Jahrhundert herauf wirklich bedeutende Rollen (man denke nur an
Wallensteins Hofastrologen, an Böttger den Erfinder des Porzellans,
an den Abenteurer Kagliostro!).
Unter den christlichen Physikern waren Abt Gerbert (der Erzieher
Kaisers Otto Iii., später als Sylvester Ii. Papst 999—1003, auch um
die Erhaltung der alten Klassiker hochverdient), Albert der Große (geb.
um 1200 zu Lauingen in Schwaben, Ordensprovincial der Dominikaner,
Bischof von Regensburg 1260—1262, gest. 1280 in seinem Kloster zu
Köln) und der englische Mönch Roger Bakon (geb. 1214, Verfasser
eines speoulum alchymiae, gest. 1292 oder 1294) die berühmtesten;
der letzte war großer Erperimentalphysiker, Albert umfaßte das ganze
Gebiet der damaligen Naturkunde und beschrieb es. Wie weit die Me-
dicin von der arabischen berührt wurde, können wir nicht bestimmen,
vielleicht sehr wenig, da sich die Arzneikunde noch ganz in den Händen
der Geistlichen befand. Ebenso ergeht es uns mit der Mathematik;
doch dürfen wir aus dem Bau der Dome schließen, daß die alten Bau-
meister die Verhältnisse der Last, Kraft und des Raumes sehr genau
zu berechnen verstanden; der große Albert war Mathematiker und Bau-
meister.
Die christliche Wissenschaft entwickelte sich aber auch selbständig auf
ihrem ureigenen Gebiete; der Grundsatz der christlichen Denker des
Mittelalters hieß: ich weiß, weil ich glaube, d. h. die Lehren der geoffen-
barten Religion galten ihnen als absolute Wahrheit, sie sahen die Auf-
gabe der Wissenschaft darin, daß diese den Inhalt des Glaubens allseitig