1857 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
Steigende Macht Frankreichs.
233
im südlichen Frankreich; er zwang den Fürsten von Montpellier, einen
aragonischen Prinzen, ihn als seinen unmittelbaren Lehensherrn anzu-
erkennen, und 1313 unterwarf er auch Lyon seiner Herrschaft. Ueber
diese wichtige Stadt und die von ihr benannte Grafschaft hatte Fried-
rich I. Barbarossa als König von Arelate den Lyoner Erzbischof zu
seinem ewigen Statthalter eingesetzt; allein der gänzliche Verfall der
kaiserlichen Macht und Streitigkeiten zwischen dem Erzbischöfe mit der
Stadt, sowie mit dem Grafen von Forez gaben schon Ludwig Ix. Ge-
legenheit die Rolle eines obersten Richters zu übernehmen, und Philipp Iv.
erzwang 1313 vom Erzbischof wie von der Stadt die Huldigung mit
Waffengewalt. Wie er mit Hilfe des Papstes den Templerorden ver-
nichtete, ist bereits (S. 197. 230) erzählt; da andere Monarchen dessen
Güter verwandten Orden übergaben, so überließ auch Philipp Iv. den
Johannitern das Grundeigenthum des Templerordens, aber erst, nach-
dem er auf dasselbe eine ungeheure Schuldenmasse kontrahiert hatte,
welche nun die Johanniter als Zugabe mit hinnehmen mußten. Phi-
lipp Iv., der durch wiederholte Ausmünzung von schlechtem Gelde meh-
rere Aufstände veranlaßt, auch die Juden einigemale gebrandschatzt hatte,
starb 1314.
Seine Söhne und Nachfolger Ludwig X. (1314—1316), Philipp
V. (1316—1322), Karl Iv. (1322—1328) handelten in dem Geiste
ihres Vaters; dieser hatte das Parlament als obersten königlichen Gerichts-
hof in Paris errichtet und dafür gesorgt, daß Näthe aus den Provinzen,
welche deren Rechte kannten, darin saßen; weil hier die Entscheidungen
schneller folgten und weniger kosteten, so kamen auch die wichtigsten Pro-
zesse vor dieses Tribunal des Königs. Durch die Generalstaaten (die
drei Stände) ließ sich der König Steuern bewilligen; die Geistlichkeit
verlor ihren Einfluß auf das Parlament immer mehr, und der König
bezog von ihr den zehnten Theil der Einkünfte. Ebenso verdrängte er die
Münzrechte Anderer, so daß es in Frankreich nur mehr königliches Geld
gab. Wie ganz anders stand diese Königsmacht da als in Deutschland!
Kein Wunder, daß die Franzosen bereits daran dachten, die Kaiserkrone
an sich zu bringen und die vorherrschende Macht in Europa zu werden.
Dieses schien um so erreichbarer, weil die Anjous in Neapel, trotz des
Verlustes von Sicilien, ihre Herrschaft über Italien immer mehr aus-
breiteten und sogar vorübergehend die Krone Ungarns mit der neapo-
litanischen vereinigten. Ueberdies beherrschten die Franzosen den Papst
und ließen durch ihn den deutschen König bannen, der seine Würde nicht
zu behaupten wußte. Vielleicht wäre den Franzosen alles gelungen,
wenn nicht 1328 die Hauptlinie der Kapetinger im Mannsstamme er-
loschen wäre, wodurch die Krone an das Haus Valois überging, da
sie nach dem salischen Gesetze kein Weib erben durfte. Gegen den ersten