1857 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Bumüller, Johannes
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
Der Schwabenkrieg.
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Sein gefährlichster Feind, Ludwig Xi. von Frankreich (1461 bis
1483), war in jeder Hinsicht das Gegentheil des deutschen Königs. In
seinen jüngeren Jahren hatte Ludwig bei mehreren Gelegenheiten Muth
und kriegerische Einsicht bewiesen, doch die Gefahr nie ausgesucht wie
Mar; in späteren Jahren entzog er sich aber der persönlichen Theil-
nahme am Kriege so gänzlich und zeigte auch sonst eine solche Aengst-
lichkeit, daß man allgemein glaubte, er sei durch sein schlechtes Gewissen
zum Feigling heruntergeftimmt worden. Gewöhnlich residierte er in sei-
nem Schlosse Plessis le Tours (in der Nähe der Stadt Tours), das
mit Gräben, Mauern, Fußangeln, Fallgruben, versteckten Schützen und
schottischen Leibwächtern so gesichert war, daß auch eine einzelne Person
Ludwig Xi. ebensowenig unversehens nahen konnte, wie ehemals dem
Kaiser Tiberius auf der Insel Kapri. Zu seinen Vertrauten wählte
er nicht Männer aus dem höchsten Adel, sondern aus den niederen
Ständen, ohne dieselben jedoch zu den höchsten Würden zu erheben; bei
dem Bürgerstande suchte er sich durch seine einfache Tracht und Lebens-
weise populär zu machen, gewann denselben jedoch zumeist durch die
Art und Weise, wie er ihn gegenüber dem hohen Adel begünstigte. Die-
sem war Ludwig so furchtbar als einst Tiberius den alten römischen
Familien; das gefährliche Bündniß desselben (ligue du bien public)
hatte er kaum durch scheinbare Zugeständnisse entwaffnet und getrennt,
als er die einzelnen Mitglieder durch Ränke in Kriege verwickelte oder
sie selbst mit Waffengewalt bekämpfte; am allerliebsten stiftete er Em-
pörungen gegen sie an oder suchte ihnen durch Meuchelmord beizukom-
men. Ebenso treulos und meineidig war er in seiner auswärtigen Po-
litik; seine Erfolge gewann er am wenigsten durch offenen Krieg, sondern
vielmehr durch die Kunst, mit welcher er seine Feinde in andere Kriege zu
stürzen oder durch Empörungen und Verräthereien zu neutralisieren ver-
stand, zu welchem Zwecke er mit seinen Schätzen nie geizte. Die öffentliche
Sicherheit überwachte er strenge und befriedigte durch die Bestrafung ge-
meiner Verbrecher seinen Hang zur Grausamkeit, wenn er demselben nicht
vornehmere Opfer bringen konnte. Schon sein Vater hatte durch die so-
genannten Ordonnanzkompagnieen (15, jede zu 4 Offizieren und 600
Reitern) und geworbenes Fußvolk ein stehendes Heer errichtet, das er
nun durch Anwerbung von Schotten und Schweizern verstärkte. Durch
sie, die in den größeren Städten als Garnison lagen, erzwang er Ruhe
und Gehorsam und stand immer schlagfertig da, während er durch feste
Steuern ein regelmäßiges Staatseinkommen herstellte und dasselbe weder
durch Verschwendung noch durch zwecklose Freigebigkeit zersplitterte, auch
nicht zu fernen und unsichern Unternehmungen verbrauchte. Er ver-
einigte als Erbe des jüngeren Hauses Anjou (von König Johanns Ii.
Sohn Ludwig abstammend, 1481 im Mannsstamme erloschen) Anjou,
Bumüller, Gesch. d. Mittelalters. 20