1861 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Weber, Georg, Schröer, Tobias Gottfried
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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selbst mehr übersehen konnten, nahmen sie sich Helfer und Helferinnen,
Diakonen und Diakonissen an, welche mit ihnen das heilige Amt
verwalteten und sie in der Pflege der Armen und Kranken unterstützten.
So hatten die christlichen Gemeinden im ersten Jahrhundert eine auf die
Gleichheit aller Glieder gegründete Verfassung, worin zwar der Grundsatz
von dem allgemeinen Priesterthum aller Christen seine Geltung hatte, doch
so, daß die spätere Scheidung der Gemeinde in Priester und Weltleute
(Klerus und Laien) schon jetzt im Keime vorhanden war. Wie unmerklich
auch anfangs die Trennung sein mochte, so besaßen doch die geistlichen
Brül er durch die ursprüngliche Gemeinschaft der Güter und durch
das Straf amt, welches sie zu verwalten hatten, zwei mächtige Hebel,
mit denen sie nachmals die Welt eroberten. Ans dem durch viele Schen-
kungen vermehrten Schatz wurden die öffentlichen Versammlungen bestrit-
ten, Liebesmahle genannt, weil man sie mit dem heiligen Abendmahl
gemeinschaftlich zu beschließen gewohnt war, so wie alle Unterstützungen
und Almosen für leidende oder entfernte Gemeindeglieder. Der Bischof
hatte das Recht zu geben oder zu verweigern; so stand es auch in seiner
Gewalt, zur Strafe für Vergehungen den Christen vom Abendmahl und
aus der Gemeinde zu verstoßen und ihn aller Bruderrechte zu berauben.
Die Bischöfe der größeren Städte erlangten bald ein höheres Ansehen über
die andern. Man nannte sie Metropolitane oder Erzbischöfe und
übertrug ihnen den Vorsitz in den kirchlichen Zusammenkünften oder Sy-
noden, zu welchen die Vertreter verschiedener Kirchengemeinden zur Be-
rathung über ihre religiösen Anliegen zusammenkamen.
Der römischen Regierung galten die ersten christlichen Gemeinden als
eine jüdische Sekte. Sie wurden geduldet, wie überhaupt Achtung vor
jedem fremden Kultus im Sinne der Römer lag. Augustus ließ im Tem-
pel zu Jerusalem opfern; Caligula wollte sein Standbild daselbst auf-
stellen, was ihm jedoch nicht gelang. In der Folge ward durch die rasche
Verbreitung christlicher Gemeinschaften die Aufmerksamkeit der römischen
Herrscher erregt, und sie unterlagen fortan dem Gesetze, welches ein- für
allemal jede geheime Verbindung in dem römischen Staate verbot. Dies
mag die Ursache sein, weshalb auch vortreffliche und milde Herrscher, wie
Trajan und Marcus Aurelius, in die Reihe der Christenverfolger sich ge-
stellt haben; nicht aus Haß gegen das Christenthum, sondern in der Ab-
sicht, die Sicherheit des Staates zu mehren. Die Bitterkeit und Grau-
samkeit, welche sich allmählich in diesen Verfolgungen kund gab, lag theil-
weise in der Zeit, theilweise reizte die Standhaftigkeit und der kühne Muth
der Christen in dem Bekenntniß ihres Glaubens die Gegner zu größerer
Heftigkeit auf.
Von den Tagen des Nero an, wo Petrus und Paulus ihren Tod
fanden, bis zu Diocletian sind mehrere blutige Verfolgungen über die junge
Kirche ergangen. Einige Geschichtschreiber nehmen zehn, Gibbon nimmt
drei an. An Barbarei und grausamer Unmenschlichkeit findet sich in den