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1. Geschichte des Mittelalters - S. 85

1861 - Leipzig : Brandstetter
85 schuldiges Blut vergossen ward? Um Theil zu nehmen am Leibe Christi, warte, bis Du in einer solchen Verfassung bist, daß Deine Hostie Gott angenehm ist. Bis dahin begnüge Dich mit dem Opfer Deiner Thränen und Gebete." Theodosins erkannte sein Unrecht und begab sich nach Mailand, um bei dem frommen Bischöfe Buße zu thnn, Als er sich mit seinem Gefolge der Domkirche näherte, trat ihm Ambrosius im bischöflichen Schmucke und von der Klerisei begleitet an der Thüre entgegen und verwehrte ihm den Eingang mit den Worten: „Dein Zorn hat sich wohl gelegt, aber Deine Macht und Dein Stolz als Kaiser verdunkelt noch Deine Vernunft, darum mußt Du erst durch Fasten und Beten Dein Gemnth und Deine Seele reinigen, ehe Du dieses heilige Hans betrittst." Der Kaiser fügte sich und trat zurück; erst nach einigen Monaten erhielt er die Erlaubniß, seine Schuld öffentlich in der Kirche zu bekennen und am Mahle des Herrn Theil zu nehmen. Theodosins war einer der vorzüglichsten Regenten, deren Thaten die Geschichte ausbewahrt hat. Er wäre ein vollkommener gewesen, wenn nicht ein natürlicher Hang zur Weichlichkeit und zum Jähzorn, die er sein ganzes Leben lang aus allen Kräften in sich zu bekämpfen suchte, zuweilen den edlen und schönen Eigenschaften seines Geistes und Herzens Eintrag gethan hätten. Theodosins ward im dreiunddreißigsten Jahre seines Alters mit dem Purpur bekleidet. Das Volk schaute mit Bewunderung die männliche Schönheit seines Angesichtes und die anmuthige Majestät seiner Gestalt. Die Weisheit seiner Gesetze und der Erfolg seiner Waffen ver- schafften seiner Regierung Achtung bei seinen Unterihanen wie bei seinen Feinden. Er liebte und übte die Tugenden des häuslichen Lebens; der sto/ze Titel der kaiserlichen Größe war durch die thenern Namen eines treuen Gatten und liebevollen Vaters gehoben. Theodosins war dankbar für empfangene Freundschaft, voll Leutseligkeit und Milde und, eine seltene Tugend an einem großen Herrscher, stets bereit, seine Fehler einzusehen und zu verbessern. Mit ihm, dem letzten der Nachfolger des Angustus und Constantins, die an der Spitze ihrer Heere erschienen und deren Herrschaft in dem ganzen Reiche anerkannt wurde, schied der Genius Roms für immer. Nach seinem Tode theilten seine beiden Söhne Arcad ins und Hono- rius das Reich, so daß Ersterer das morgenländische oder griechische Reich mit der Hauptstadt Konstantinopel, der Andere das abendlän- dische oder lateinische Kaiserthum erhielt. Dem siebzehnjährigen Arcadius stand der ehrsüchtige und gewissenlose Gallier Rnsinus, dem elfjährigen Honorius der staatskluge und kriegsgewandte Stilicho, ein Deutscher, als Rath und Reichsverweser zur Seite. Die unseligen Zwistigkeiten, welche den völligen Sturz des abendländischen Reiches herbeiführten, be- gannen durch den Verrath des Rnsinus, der, voll Neid und Eifersucht gegen Stilicho, die Westgotheu, welche in Thracien und Mösien dem Hofe von Konstantinopel schon lästig und gefährlich zu sein anfingen, zu einem
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