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1. Geschichte des Mittelalters - S. 151

1861 - Leipzig : Brandstetter
151 große Zerrüttung; geistliche und weltliche Große maßten sich Besitzungen und Rechte an, die Könige verloren Macht und Ansehen, die Staaten lösten sich in viele einzelne Gebiete auf; Verwirrung, Befehdungen unv Bedrückungen walteten überall. Daß ein so günstiger Moment von der Herrschbegierde der römisch- päpstlichen Gewalt nicht ungenützt gelassen wurde, liegt in der Natur der Sache. Bereits war den Päpsten eine weltliche Macht zuerkannt; der Gedanke, das Abendland unter der geistlichen Herrschaft des Nachfolgers Petri zu vereinigen, lag nicht ferne. Papst Gregor Iv. hatte in dem Streit zwischen Ludwig und seinen Söhnen Partei gegen den Ersteren genommen; Leo Iv. war selbstständiger Kriegsherr, indem er sich mit Glück gegen die andringenden Araber vertheidigte. Zugleich war er es, der zum erstenmal laut auszusprechen wagte, daß es gegen die Beschlüsse des Papstes keine Berufung gäbe. Nikolaus I. sprach das Verdammungs- urtheil über den sittenlosen Lothar Ii. aus und im Jahr 875 konnte Johann Viii. Karl dem Kahlen die Kaiserkrone ertheilen, unter der Be- dingung, daß er ihm Beistand leiste gegen die stets wiederkehrenden Ein- fälle der Araber. So hatte der mächtige Kampf zwischen geistlicher und weltlicher Macht, der den vorherrschenden Inhalt der mittelalterlichen Geschichte bildet, be- reits begonnen. Die feindlichen Gewalten wurden entfesselt, so wie Karl's des Großen starke Hand sie nicht mehr im Banne hielt. Die Achtung, welche den Nachkommen Karl's gezollt ward, zeigt sich schon in den ihnen zugelegten Beinamen „der Kahle, der Dicke, der Einfältige," die sie als unsterbliches Erbtheil durch die Geschichte der Menschheit tragen müssen. Der Zustand der europäischen Länder bot zu dieser Zeit ein trauriges Bild. Nach allen Weltgegenden schienen die Grenzdämme des alten Reiches gewichen. Italien ward von den Sarazenen heimgesucht, die in ihren leichten Schiffen auf der Tiber heranschwammen und Rom bedrohten; Ost- deutschland stand in Gefahr vor den slavischen Völkerschaften der Wenden, Sorben, Mähren. Von Skandinavien aber und den Ostseeinseln drang der hartnäckigste Feind, die Normannen, im Norden Deutschlands und Frankreichs ein und durchzog raubend und plündernd die Küstenländer der Nordsee. Hamburg, Trier, Köln, Bonn, gingen in Flammen aus, Paris zitterte vor den kühnen, wilden Horden. Schon hatte Karl der Kahle den Frieden um 4000 Pfund Silbers erkauft. Die Absetzung Karl's des Dicken erfolgte auf dem Reichstage zu Tribur, nachdem er sich und das Reich durch einen doppelten schimpflichen Tribut an die Normannen erniedrigt hatte. So von äußern Feinden bedrängt, von inneren Parteiungen zerrissen, sank das Karolingische Reich, das nur ein Jahrhundert Bestand hatte und doch in seiner kurzen Dauer den Grund legte zu dem späteren Bau des deutschen Reiches, welches alsbald an seine Stelle treten sollte.
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