1861 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Weber, Georg, Schröer, Tobias Gottfried
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
V
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§. 13. ©Janen und Magyaren.
Wie im Westen Europa's, so war auch im Osten der Kampf des
Christenthums mit dem Heidenthnm die Ursache vieler kriegerischen Be-
wegungen und die Quelle großer Waffenthaten. Unter den barbarischen
Völkern, die sich hier niedergelassen, waren die Slaven, die, wie er-
wähnt, in Rußland, Polen, Böhmen, Mähren, Ungarn und in
den Donauländern wohnten, wenn auch nicht die friedfertigsten, doch die
bildungsfähigsten. Seit den Zeiten des Königs Swatopluk hatte sich
der christliche Glaube in einigen Gegenden ihres Landes verbreitet. Me-
thodius und .Cyrillus, zwei griechische Mönche slavischer Abstam-
mung, waren nach Mähren und Böhmen gekommen und hielten hier nach
griechischer Weise den christlichen Gottesdienst in ihrer Muttersprache, ganz
gegen die Sitte der abendländischen Kirche, in welcher die lateinische Sprache
eingeführt war. Die Slaven behielten den slavischen Gottesdienst im
Christenthume bis auf den Papst Gregor Vii. bei, welcher die Einführung
des lateinischen Kultus auf's Strengste gebot. Im neunten Jahrhundert
eroberten die Magyaren unter ihrem Herzoge Arpad das Land an der
Theiß und Donau, welches heute Ungarn heißt, und lagerten sich
zwischen die nördlichen und südlichen Slaven, so daß beide Theile getrennt
und ihre Verbindung zu einem großen slavischen Weltreiche im Osten
Europa's verhindert wurde. Jene kriegerische Nation war von nun an
beständig gegen die slavischen Völkerschaften in Waffen und erleichterte den
Deutschen die Unterjochung derselben. Doch auch den Deutschen wurden
die Magyaren bald furchtbar, und erst nach der Niederlage am Lechfelde
waren die vaterländischen Marken vor ihren Raubzügen sicher. Herzog
Geisa trat in freundschaftliche Bündnisse mit dem deutschen Kaiser; er
nahm die christliche Religion an und viele deutsche Mönche und Ritter
ließen sich im Lande nieder. Noch mehr wurde das Volk zu einem ge-
sitteteren Zustande geführt, als Geisa's Sohn, V o jk, der in der Taufe
den Namen Stephan erhielt, den Königstitel annahm und im I. 1000
mit der Krone, die Papst Sylvester Ii. sandte, feierlich zum Könige
von Ungarn gekrönt wurde.
Das Land war bisher in sieben nur sehr locker verbundene Stämme
getheilt, deren Hauptleute oder Fürsten sich beim Einmärsche nach Ungarn
freiwillig einen Anführer oder Herzog gewählt hatten. Obwohl diese
Würde im Hause Arpad's erblich wurde, war sie doch mit wenig Gewalt
verbunden, da die Fürsten nur im Kriege einen Oberbefehl duldeten.
Stephan erkannte die Nothwendigkeit, die Königsmacht zu erhöhen und
die Glieder des Volks fester an einander zu knüpfen, um die Magyaren
zu einer starken und einigen Nation zu verbinden. Darum schaffte er,
auf Anrathen der deutschen Bischöfe und Ritter, die sich an seinem Hofe
sammelten, die alte Bundesverfassung ab, führte das Lehnwesen und eine
darauf gegründete neue Eintheilung des Reiches in 72 Grafschaften