1861 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Weber, Georg, Schröer, Tobias Gottfried
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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einem lateinischen Dolmetsch, der sie begleitete, vor den heiligen Ludwig zu
führen. Hierzu bereit, sagte ich dem Könige: viele Männer aus Großar-
menien, die nach Jerusalem pilgerten, wünschten ihn zu sehen. Er lächelte
und antwortete, ich solle sie rufen. Wirklich führte ich ihm sie vor und
sie freuten sich und erwiesen ihm viel Ehre; nachdem sie ihn aber wohl
betrachtet hatten, befahlen sie ihn Gott und er sie desgleichen.
Tages darauf setzte der König mit seinem Heere den Marsch fort
und wir lagerten in Passe -Poulin, einem Orte, woselbst es gar schöne
Wasser und Brunnen gab, mit denen man Rohr begoß und tränkte, aus
welchen: der Zucker gewonnen wird. Als ich dort mein Quartier bezogen
hatte, sagte einer meiner Ritter zu mir: „Sire, ich habe Euch eine viel
bessere Wohnung verschafft, als Eure gestrige vor Acre." Das hörte ein
anderer Ritter, welcher mir Tags zuvor Quartier bestellt hatte, und rief:
„Ihr seid höchst verwegen, daß Ihr meinem Gebieter gegenüber etwas
tadelt, was ich gethan habe!" warf sich auf den Ritter und packte ihn bei
den Haaren. — Sein Erdreisten, einen meiner Leute vor meinen Augen
also zu behandeln, ergrimmte mich; ich sprang auf und gab dem Ueber-
müthigen einen Faustschlag zwischen die Schultern. Da ließ er den Ritter
los und ich befahl ihm, im Augenblick aus meinem Quartier zu gehen;
ich würde ihn, so Gott mir helfe, nimmer in meinem Hause dulden. Der
Ritter verließ uns höchst traurig. Er ging zu Herrn Gilles le Brun,
dem damaligen Konnetable von Frankreich, und dieser kam zu mir und
bat mich, meinen Ritter wieder aufzunehmen, er bereue seine Thorheit tief.
Doch ich antwortete, dazu könne ich nichts thun, wenn der Legat mich nicht
meines Gelübdes entbinde. Das erzählte der Konnetable dem Legaten
und bat ihn, meinen Schwur zu lösen; der Legat aber entgegnete: er habe
nicht Macht, mich loszusprechen, ich hätte aus gültigem Grunde den
Schwur gethan und er sei gerecht, da der Ritter sich höchlich vergangen.
Das wollte ich in diesem Büchlein mittheilen, um Jedermann zu erinnern,
daß man ohne gültiges Recht kein Gelübde leisten müsse. Der Weise sagt:
Wer gerne und bei jedem Anlaß schwöre, der schwöre oft falsch.
Vom Passe-Poulin zog der König vor die Stadt Sur, die in der
Bibel Thrus genannt wird. Auch hier verspürte er wiederum großes Ge-
lüsten, den nahe gelegenen Ort Baneas zu erobern und seine Leute riethen
ihm dazu, wenn er nur nicht selbst mitgehe. Das fiel ihm schwer; doch
bestimmte man endlich den Grasen von Anjou, Herrn Philipp von Mont-
fort, Herrn von Sur, Herrn Gilles le Brun, Herrn Pierre von Cham-
bellan und die Großmeister der Templer und des Hospitals mit ihren
Lanzen, den Zug zu unternehmen. Gegen Beginn der Nacht waffneten
wir uns und kamen kurz nach Tagesanbruch an eine Ebene vor der Stadt
Baneas, die in der heiligen Schrift Cäsarea Philippi heißt. Diese Stadt
liegt an der schönen Quelle Jor; in der Ebene vor der Stadt ist die
schöne Quelle Dan und die Bäche dieser Quellen, die sich in ziemlicher