1861 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Weber, Georg, Schröer, Tobias Gottfried
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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Nachdem Heinrich das Nöthigste für die Erhaltung der Ruhe in
Deutschland gethan zu haben glaubte, wandte er seine Blicke nach dem
bis jetzt ganz in den Hintergrund getretenen Italien. Der Gedanke, den
hohen Ruhm zu erndten, die goldenen Früchte zu pflücken, nach welchen
seine früheren Vorgänger so eifrig gestrebt hatten, beschäftigte Heinrich's
hochfliegenden Geist von dem Tage seiner Erhebung an.
In Italien waren die Zustände trauriger als je. Noch zerstörte der Kampf
der Guelfen und Ghibellinen die besten Kräfte des Landes. „Wie erboste
Bienenschwärme fielen die siegenden Parteien über die besiegten her." Aus
diesem Jammer sich zu retten wußten die Patrioten Italiens kein anderes
Mittel als die Herstellung des Kaiserreiches. „Seid wach," rief der große
Dante seinen Landsleuten zu, „seid wach und erhebt Euch, Eurem Könige ent-
gegen! Ihr müsset seinem Angesicht Ehrfurcht erweisen, Ihr, die Ihr aus
seinen Quellen trinkt, auf seinen Meeren schisst und die Ihr die Gestade
der Inseln und die Spitzen der Alpen, welche sein sind, betretet, die Ihr
Euch Eures Eigenthums nicht anders als durch das Band seines Gesetzes
erfreuen könnt."
Heinrich ward auf dem italienischen Boden mit aufrichtiger Huldi-
gung empfangen. Abermals schrieb Dante: „Nachfolger Cäsar's und
Augustus', so wie Du den Rücken der Apenninen herabstiegst, stockten auf
einmal die langen Seufzer, trockneten die Fluthen der Thränen; und es
glänzte für Italien die neue Hoffnung des bessern Jahrhunderts, wie
wenn die vielgeliebte Sonne sich erhebt."
Leider sollten diese schönen Hoffnungen nicht erfüllt werden. Heinrich
gedachte in edler Schwärmerei, hoch über allen Parteien stehend, sein
Retteramt, im Sinne des alten Kaiserthums, gleich einem Gottgesandten
zu vollziehen. Er war seiner eignen Partei, die ihn stützen wollte und
konnte, nicht hülfreich genug, ohne daß er sich dadurch die feindliche be-
freundet hätte. Statt sich die Zufriedenheit Aller zu erwerben, wie er
hoffte und erwartete, konnte er es nun keinem Einzigen recht machen.
Mit dem Vertrauen minderte sich die Macht. Aeußere Unglücksfälle
kamen dazu, um seine Stellung unhaltbar zu machen. Es gelang ihm
zwar, in Rom die ersehnte Kaiserkrone aus den Händen des Papstes zu
erhalten, aber es war ein kurzer Triumph. Die Städte empörten sich,
das Heer verließ ihn. Von König Robert von Neapel hart bedrängt,
von seinen Freunden aufgegeben, starb der wohlgesinnte, ritterliche Herr
am 24. August, dem Todestag Konradin's, zu B non con vento in der
Blüthe seiner Jahre; vielleicht, wie die Sage geht, an Gift, welches ihm
sein Beichtvater, ein verschmitzter Dominikaner, in der Hostie beigebracht
haben soll. Ein italienischer Geschichtschreiber schließt die Schilderung
Heinrich's Vii. mit den wohl allzuharten Worten: „Den Unverstand des
deutschen Ritters, welcher, unfähig die Welt zu lenken, seine Krone nicht
zu ergreifen wußte, büßten Alle, welche in alter Treue an dem Reiche