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1. Geschichte des Mittelalters - S. 404

1861 - Leipzig : Brandstetter
404 Während die deutschen Dichter in dem poetischen Halbdunkel einer märchenliebenden, jugendlichen Phantasie spielten, stand in Italien ein Dichter auf, der, „ein Herr des höchsten Gesanges, überden anderen gleich einem Adler fliegend," den Ruhm, welchen er selbst mit diesen Worten dem alten Vater Homer spendet, ans sein eigenes Haupt gesammelt hat und wohl würdig ist, mit dem unsterblichen griechischen Sänger und dem späteren großen Genius der Briten vereint, das Triumvirat der höchsten Dichterweihe für alle Zeiten und alle Länder darzustellen. Den „gött- lichen Dante"'") nennt ihn sein Vaterland; doch erst nach seinem Tode hat es seinen vollen Werth erkannt, und die Nachwelt hat die Krone auf sein Grab gelegt, welche seine Zeitgenossen im Kampfe wilder Parteizwiste ihm vorenthielten. „Groß und unglücklich zu sein ist der Spruch, der auf der Stirne derjenigen steht, welche die Vorsehung für ihre höchsten Pläne auserwählt." So hat Dante Alighieri den ganzen Sturm eines wechselvollen Ge- schickes in trüber Zeit getragen. Als Ghibelline verbannt, seiner Güter beraubt, stand er fest und ungebeugt im edlen Stolze seines Bewußtseins. Wie Homeros einst das freie, freundliche Leben der alten hellenischen Welt in ewigen Gesängen verherrlichte, so stellte Dante den tiefen, ernsten Geist der mit Christus beginnenden neuen Welt in einer wundersamen Dich- tung — der divina comedia — dar. In einen Mittelpunkt drängte sich die ganze Kraft seines mächtigen Geistes zusammen; sein Volk, seine Zeit, die Kirche und den Staat, Philosophie und Offenbarung, Natur und Ideal, kurz alles Menschliche und Göttliche, was die Welt bewegte, faßte er in den großen Rahmen eines einzigen, wunderbaren Gedichtes zusammen, welches in der Geschichte nicht seines Gleichen findet. Die „göttliche Komödie" enthält in dreimal drei und dreißig Gesängen die drei großen Abtheilungen von Hölle, Fegfeuer und Paradies und Dante konnte mit Recht sagen, Himmel und Erde haben an sein Ge- dicht Hand angelegt. Die Lebenseinheit der antiken Welt in der neuen Form der christlichen Anschauung wieder zu finden, ist der Grundgedanke seines Werkes, und die welterlösende Liebe die bewegende Kraft seines Denkens und Dichtens. In ihr verklärt sich auch seine irdische Liebe bis zur Erkenntniß und Anschauung des Höchsten, Ewigen. Wie er im mächtigen Fluge seines Genius mit herz- und seelerschütternder Gewalt, mit uner- gründlicher Tiefe des Gedankens und Gefühles und mit rührender Einfalt und Schönheit des Ausdrucks die einzelnen Theile des Gedichtes hervor- treten läßt, vermag eine dürftige Schilderung nicht auszudrücken. Des Dichters Worte müssen selbst sprechen, wenn gleich auch die beste Uebersetzung hier nur einen mangelhaften Abriß geben kann. Florentiner, geb. 1265, b 1321.
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