1861 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Weber, Georg, Schröer, Tobias Gottfried
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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Während die deutschen Dichter in dem poetischen Halbdunkel einer
märchenliebenden, jugendlichen Phantasie spielten, stand in Italien ein
Dichter auf, der, „ein Herr des höchsten Gesanges, überden anderen gleich
einem Adler fliegend," den Ruhm, welchen er selbst mit diesen Worten
dem alten Vater Homer spendet, ans sein eigenes Haupt gesammelt hat
und wohl würdig ist, mit dem unsterblichen griechischen Sänger und dem
späteren großen Genius der Briten vereint, das Triumvirat der höchsten
Dichterweihe für alle Zeiten und alle Länder darzustellen. Den „gött-
lichen Dante"'") nennt ihn sein Vaterland; doch erst nach seinem Tode
hat es seinen vollen Werth erkannt, und die Nachwelt hat die Krone auf
sein Grab gelegt, welche seine Zeitgenossen im Kampfe wilder Parteizwiste
ihm vorenthielten.
„Groß und unglücklich zu sein ist der Spruch, der auf der Stirne
derjenigen steht, welche die Vorsehung für ihre höchsten Pläne auserwählt."
So hat Dante Alighieri den ganzen Sturm eines wechselvollen Ge-
schickes in trüber Zeit getragen. Als Ghibelline verbannt, seiner Güter
beraubt, stand er fest und ungebeugt im edlen Stolze seines Bewußtseins.
Wie Homeros einst das freie, freundliche Leben der alten hellenischen Welt
in ewigen Gesängen verherrlichte, so stellte Dante den tiefen, ernsten Geist
der mit Christus beginnenden neuen Welt in einer wundersamen Dich-
tung — der divina comedia — dar. In einen Mittelpunkt drängte
sich die ganze Kraft seines mächtigen Geistes zusammen; sein Volk, seine
Zeit, die Kirche und den Staat, Philosophie und Offenbarung, Natur und
Ideal, kurz alles Menschliche und Göttliche, was die Welt bewegte, faßte
er in den großen Rahmen eines einzigen, wunderbaren Gedichtes zusammen,
welches in der Geschichte nicht seines Gleichen findet.
Die „göttliche Komödie" enthält in dreimal drei und dreißig
Gesängen die drei großen Abtheilungen von Hölle, Fegfeuer und Paradies
und Dante konnte mit Recht sagen, Himmel und Erde haben an sein Ge-
dicht Hand angelegt. Die Lebenseinheit der antiken Welt in der neuen
Form der christlichen Anschauung wieder zu finden, ist der Grundgedanke
seines Werkes, und die welterlösende Liebe die bewegende Kraft seines
Denkens und Dichtens. In ihr verklärt sich auch seine irdische Liebe bis
zur Erkenntniß und Anschauung des Höchsten, Ewigen. Wie er im mächtigen
Fluge seines Genius mit herz- und seelerschütternder Gewalt, mit uner-
gründlicher Tiefe des Gedankens und Gefühles und mit rührender Einfalt
und Schönheit des Ausdrucks die einzelnen Theile des Gedichtes hervor-
treten läßt, vermag eine dürftige Schilderung nicht auszudrücken. Des
Dichters Worte müssen selbst sprechen, wenn gleich auch die beste
Uebersetzung hier nur einen mangelhaften Abriß geben kann.
Florentiner, geb. 1265, b 1321.