1836 -
Stuttgart
: Belser
- Autor: Bauer, Ludwig Amandus
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
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Viertes Hauptstück.
düng der Hieroglyphik bcigetragen. Da jeder Gott
ein Thier als Symbol mit sich führte, so konnte atlmählig
das Bild dieses Begleiters auch allein gesetzt werden, um
den Begriff des Gottes anzuzeigen. Die Aufmerksamkeit,
womit viele Thierarten gepflegt, also auch beobachtet wur-
de«, hatte zur Folge, daß sich ihre Eigenschaften dem Ge-
dächtnisse lebhaft cinprägten, und dem Aegyptier daher,
wenn er von Schnelligkeit oder Trägheit, von Stärke oder
Ohnmacht sprechen horte, sogleich ein lebendiges Geschöpf
beisiel, an welchem der Begriff ihm anschaulich entgegen-
trat. Sofort wählte man das Bild eines Thiers, um
diese oder jene abstrakte Vorstellung auszudrücken. Mit
der Zeit bildete man Zusammensetzungen und drückte zum
Beispiel durch Scepter, Auge und Habicht den ganzen
Satz aus, daß Osiris ein wachsamer Regent sey, oder
durch Habicht und Gondel, daß er den Nil beherrsche,
oder durch Habicht, Wage und Mumie, daß er über die
Seelen der Verstorbnen Gericht halte. Bei der Wil-lkühr
und Weitläufigkeit, die hievon unzertrennlich war, kamen
die Priester nach und nach auf Abkürzungen und stätig
wiederkehrcndc Züge, woraus eine Art von Schrift ent-
stand, die unter dem Namen der hieratischen bekannt
ist. Die Nachricht, daß Thot zu Naukratis die Buch-
staben erfunden und sie in Konsonanten und Vokale ge-
schieden habe, zusammengehalten mit dem Umstande, daß
bis auf Psammitich das einzige Naukratis den Ioniern
und Phöniziern offen stand, berechtigt wohl fast zu der
Vcrmuthuug, die Buchstabenschrift, welche mit der Zeit
auch in Gebrauch kam, sey von Phönizier: aus eingewan-
dert. Immerhin aber wirft die Anwendung einer schwer-
fälligen Bilderschrift nicht eben das vortheilhafteste Licht
auf ägyptische Wissenschaft. Was für Aerzte mögen die
Priester gewesen seyn, da sie den menschlichen Leib in
36 Theile eintheilten und jedem derselben einen eignen