1837 -
Stuttgart
: Belser
- Autor: Bauer, Ludwig Amandus
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
Kardinal Richelieu.
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überdicß dem Kardinal für so glimpfliche Behandlung
danken. Nunmehr stand Richelieu auf dem Gipfel der
Größe; ganz Frankreich lag ihm zu Füßen; die ersten
Männer des Reichs lasen in seinen Blicken ihr Schick-
sal: er hatte verwirklicht, was in dem von ihm gebau-
ten Pallaste zu Richelieu gewisse Sinnbilder andeutctcn,
das Firmament mit der Inschrift: „in der Bewegung
unbewegt," und ein Löwe, welcher anbcllcndc Hunde verach-
tet. Doch spielte er dem König gegenüber stets die Rolle
eines bloßen Dieners. „Nur voran," sagte einst Lud-
wig, als sie an eine Thüre kamen, „Sie sind ja doch
Herr im Hause." „Sire," rief der Kardinal, „ich gehe
voran, um Ihnen zu leuchten," und nahm dem Bedien-
ten die Fackel weg. Bezeichnend ist auch folgende Anek-
dote. Während er eine Prinzessin begleitete, blieb ein
Edelmann in seinem Zimmer zurück, wo geheime Pa-
piere über den damals noch unbekannten Abfall Portu-
galls von Spanien lagen. Aus Besvrgniß, der Cavalier
möchte darin gelesen haben, schickteer ihn auf 53 Tage in
die Bastille, gab ihm dann aber für die solang entzvgne
Freiheit 33,000 Thaler. Ein bleibendes Denkmal hat
sich Richelieu, der nebenher auch dramatischer Dichter
war, und wohl nicht ohne Eifersucht den Cid des 1606
gebvrnen Corneille unbillig beurtheilte, dadurch ge-
setzt, daß er 1635 die französische Akademie stiftete. Ihr
Streben gieng vor Allem darauf hin, ein erschöpfendes
Wörterbuch und eine allgemeingültige Grammatik zu ge-
den. Die Folge hievon war frühzeitige Bestimmtheit
und Abrundung des Französischen. Um so eher konnte
sich diese Sprache, als die einzige unter den neuern,
welche schon fertig war, über das ganze gebildete Eu-
ropa verbreiten, und auch hiezu hat Richelieu mitgewirkt,
indem er von Frankreich aus das Beispiel überall thäti-
ger und dauernder Gesandtschaften gab.
Baner's Gesch. Iv. Bd.
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