1859 -
Leipzig
: Fleischer
- Autor: Kurts, Friedrich, Nösselt, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Bürgerschule, Gelehrtenschule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
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Theils Unzufriedenheit mit der Regierung, theils das Beispiel Spaniens
veranlagte eine ähnliche Revolution in Neapel, deren Ausbruch von den
Carbonari dadurch erleichtert war, daß ihre Grundsätze bei der Armee Ein-
gang gefunden hatten. In der Nacht vom 1. zum 2. Juli 1820 empörte
sich ein kleiner Theil des Heeres; andere Regimenter schlossen sich sogleich
an, und da die gegen sie ausgeschickten Truppen ebenfalls zu ihnen übergingen,
gab der schwache König Ferdinand nach, und erklärte, er sei bereit, die
Wünsche des Volks zu erfüllen, und wolle ihm binnen 8 Tagen eine neue
Verfassung geben. Aber damit waren die Aufrührer nicht zufrieden, sondern
forderten, den Mönch Minichini und den General Pepe an der Spitze,
daß der König binnen 24 Stunden die spanische Verfassung annähme. Der
schwache Ferdinand legte nun die Regierung nieder, und übergab sie seinem
Sohne (Franz), der sie als Generalvicar des Reichs führen sollte. Beide
beschworen darauf die spanische Verfassung, und nun war das Volk, das
sich von solchen Aenderungen immer Vortheil verspricht, voll Lust und Freude.
Gleich darauf erfolgte eine Revolution in Portugal. Seit 1807
war Johann von Portugal (seit 1816 König) in Brasilien. Die Portugiesen
mußten jährlich beträchtliche Summen dahin schicken zur Unterhaltung des
Hofes, statt daß sonst die Reichthümer Brasiliens nach Portugal geflossen
waren. Sie wurden von einem Statthalter regiert, der ganz unter englischem
Einflüsse stand. Daß sie daher sehr unzufrieden sein mußten, war natürlich;
aber sie liebten dennoch ihren König Johann Vi., und wünschten nur
eine ihn einschränkende Verfassung, wie die spanische. Am 24. August 1820
machte der Oberst Sepulveda in Porto, im Einverständniß mit den übrigen
Behörden der Stadt, den Soldaten bekannt, daß eine neue Verfassung ein-
geführt werden müsse. Das Volk und die Soldaten antworteten mit großem
Jubel: „Es lebe unser vielgeliebter König Johann Vi.! es leben die Cortes
und die Verfassung!" Einige Generale wollten sich der Revolution wider-
setzen, wurden aber von ihren Soldaten verlassen. Am 16. Sept. zogen
darauf die Anstifter in Lissabon ein, wo das Volk sie freudig empfing; es
wurde eine provisorische Regierung niedergesetzt, die spanische Verfassung an-
genommen, und ein Schiff schnell nach Rio Janeiro geschickt, den König zu
bitten, die Verfassung zu bestätigen, und entweder selbst nach Portugal zu-
rückzukehren, oder das Land durch einen seiner Söhne regieren zu lassen.
Johann hielt es für das Beste, selbst zu kommen. Er lief am 4. Juli 1821
im Tajo ein, und gab der Notwendigkeit nach, indem er die Verfassung
beschwor. Die Cortes wurden nun zusammenberufen; aber es zeigte sich bald
auch hier, daß jede dem Regenten abgezwungene Verfassung nur zur Volks-
herrschaft und zu Unruhen führen müsse. Denn der König mußte alle Be-
schlüsse der Cortes genehmigen, und stellte sich dabei noch, als ob er ein
warmer Freund der Verfassung sei.
Am auffallendsten zeigte sich in Sicilien, zu welchen Unordnungen die
Parteisucht führt. In Palermo waren drei Parteien: Einige wollten die
alte Ordnung der Dinge, Andere die neue Verfassung, und noch Andere
wünschten ganz unabhängig von Neapel zu sein. Die Letzteren trugen als
Abzeichen ein gelbes Band. General Church (spr. Tschortsch», ein Engländer-
in neapolitanischen Diensten, riß in der Mitte des Juli 1820 einem Bürger