1859 -
Leipzig
: Fleischer
- Autor: Kurts, Friedrich, Nösselt, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Bürgerschule, Gelehrtenschule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
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Hessen-Kassel hatte ebenfalls seine unruhigen Septembertage. Die
Regierung des Kurfürsten Wilhelm Ii. hatte durch Verfolgungssucht manche
Mißstimmung erregt, auch war das Volk mit der Zurücksetzung der allge-
mein geliebten Kurfürstin unzufrieden. Am 6. Sept. 1830 entstand ein
Tumult in Kassel, welcher zwar beseitigt wurde, allein die Bürger richteten
nun eine Adresse an den Kurfürsten um Einberufung der Stände. Er gab
nach, und am 5. Jan. 1831 wurde die neue Verfassung festgestellt. Als
aber die verhaßte Gräfin Reichenbach-Lessoniz wiederkehrte und nochmals zur
Abreise gezwungen wurde, da verlegte Wilhelm Ii. seine Residenz nach Ha-
nau, und gab die Regierung am 30. Sept. 1831 seinem Sohne ab, den er
zum Mitregenten ernannte. 1847, 20. Nov., ist der alte Kurfürst gestorben.
In Hannover regierte im Namen des Königs von England dessen
Bruder, der Herzog Adolph von Cambridge (spr. Kehmbritsch). Cr hatte
1819 die alten Provinzialstände vereinigt, und nach dem Muster der englischen
Verfassung zwei Kammern eingerichtet. Das Land war aber dabei mit dem
Einflüsse des (in Hannover besonders stolzen) Adels unzufrieden. Nun hatten
sich in Göttingen, besonders unter den Studenten, die im Schwange gehenden
Ideen von Freiheit verbreitet. Am 8 Januar 1831 versammelte sich unter
Anführung einiger junger Doctoren ein Haufen bewaffneter Bürger und
Studenten auf dem Markte; nachdem einige hochtönende Reden über Deutsch-
thum, Völkerglück u. s. w. gesprochen worden waren, beschlossen sie, eine
Nationalgarde zu errichten, schickten eine Deputation an den Herzog nach
Hannover, und erbaten sich die Erlaubniß, dem Könige Wilhelm Iv. eine
Bittschrift um eine freiere Verfassung überreichen zu dürfen. Der Herzog
erklärte sich zwar nicht geradezu dagegen, verlangte aber augenblicklich Unter-
werfung. Diese Antwort brachte die meisten Bürger zur Vernunft, und sie
"gaben die Sache auf, während viele Studenten Widerstand beschlossen. Doch
verloren auch sie bald den Muth, und die Anstifter begaben sich auf die
Flucht; einige entkamen, andere wurden ergriffen und büßten mit Gefängniß.
Jedoch hatte die jugendliche Thorheit, die den Anführern theuer zu stehen
kam, für das Land den großen Gewinn, daß der Herzog mit Einwilligung
des Königs von England den Ständen eine freisinnige Verfassung vorlegte,
welche berathen und 1833 sestgestellt wurde. Wie theuer diese dem Volke
war, haben die späteren Ereignisse im Hannöverschen gezeigt. Denn als
König Wilhelm Iv. 1837 starb, und das Königreich Hannover an dessen
Bruder, den Herzog Ernst August von Cnmberland, fiel, weigerte sich
dieser, die ohne seine Zustimmung ertheilte Verfassung anzuerkennen, und
stellte die dem Volke verhaßte von 1819 her. Die von fast allen Städten
und Kreisen dagegen eingelegte Protestation wurde von dem neuen Könige
nicht beachtet, der sich seines (vermeintlichen oder wirklichen) Rechtes durchaus
nicht begeben wollte. Sieben Göttinger Professoren, welche den geforderten
Huldigungseid mit ihrem früheren auf die Verfassung von 1833 geleisteten
Eide unverträglich fanden und ihn verweigerten, wurden abgesetzt und drei
von ihnen, Dahlmann, Gervinus und Jakob Grimm, mußten binnen drei
Tagen das Land verlassen. Beschwerdeschriften wurden von Seiten der
Hannoveraner zwar bei der Bundesversammlung eingereicht, diese aber er-
klärte sich, trotz der Wichtigkeit der Sache, nicht für berechtigt einzuschreiten.
Nöff. Weltgesch. 4. Th. i xz