1859 -
Leipzig
: Fleischer
- Autor: Kurts, Friedrich, Nösselt, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Bürgerschule, Gelehrtenschule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
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und Uebergriffe in das politische Gebiet haben dieser Bewegung eine größere
Ausdehnung geraubt und der anfänglich so hochgehende Strom versandete rasch
in unbedeutender Wirkung.
Die gleiche Sehnsucht nach einer Befreiung des religiösen Lebens von
veralteten und erstarrten Glaubenssatzungen drang auch in das Judenthum
ein, und veranlaßt in Breslau, Hamburg, Frankfurt a. M., Braunschweig
u. a. O. eine Bereinigung freisinniger Männer zur Herstellung eines ge-
reinigten Glaubens. — In der protestantischen Kirche erschienen diese Be-
wegungen mit um so größerer Energie, da das Bestreben einiger deutschen
Regierungen, unter denen auch die preußische, sichtbar auf eine das Wesen
des Protestantismus, welches die alleinige Autorität der Bibel ist, aufhebende
Beschränkung gerichtet war. Es war überhaupt ein Grundzug der letzten
Jahrzehnte, daß die Vorliebe für das historisch gewordene Dogma in Kampf
mit einer freieren Auffassung der religiösen Wahrheit trat. Von Berlin aus
wurde die erste Richtung begünstigt, und die Regierung scheute sich nicht, in
Widerspruch mit einer großen Mehrheit des Volkes zu treten. Der Cultus-
minister Eichhorn wirkte trotz aller entgegentretenden Volksgesinnung für
strengkirchliche Orthodoxie, sogar die Lehrfreiheit der Universitäten wurde ein-
geengt. Die Gegenwirkung blieb nicht ans. In Königsberg sagte sich der
Prediger Rupp von dem athanasianischen Symbol los, und gründete eine
„freie Gemeinde," was nun auch in andern Orten geschah. In der Provinz
Sachsen hatte der Prediger Uhl ich, später in Magdeburg, seit 1841 eine
Vereinigung freisinniger Anhänger des biblischen Christenthums gestiftet,
welche sich protestantische Freunde oder auch Lichtfreunde nannten. Ihre
Versammlungen wurden immer zahlreicher besucht; zu Köthen waren im Mai
1845 gegen 3000 Menschen versammelt. Uhlich trat auch an andern Orten
auf; in Breslau sprach er vor mehr als 6000 Menschen. Der Aufschwung
wurde immer lebhafter. Da erfolgte das Verbot dieser Versammlungen.
Uhlich selbst gerieth mit dem Consistorium in Magdeburg in Zerwürfniß, da
er sich auf das Ansehen der Bibel gegen die unbedingte Geltung der kirch-
lichen Symbole berief. Er wurde vom Amte suspendirt; eine unmittelbar
bei dem Könige eingereichte Vorstellung der Magdeburger änderte nichts in
der Sache. Also traten Viele mit Uhlich aus der Staatskirche aus, Novbr.
1847, und bildeten eine „christliche Gemeinde."
Plötzlich schreckte ein unerhörtes Verbrechen das Volk auf. Ein Attentat
auf das Leben des Königs war versucht worden. Ludwig Tschech, den ge-
bildeten Ständen zugehörig und früher Bürgermeister zu Storkow in der
Kurmark, feuerte am 26. Juli 1844 ein Pistol auf den König ab, als dieser
eben mit der Königin aus dem Portal des Schlosses fahren wollte. Wie
durch ein Wunder war der König unverletzt geblieben, während seine Kleider
durchlöchert waren. Preußen hatte bis dahin so stolz sein können, daß nie
das Leben eines Monarchen meuchlerisch gefährdet gewesen war. Der Mörder
hat sein Verbrechen mit dem Tode gebüßt; seine That war eine vereinzelte,
hervorgegangen aus einem finstern Gemüth. Er war nach seiner Meinung
ungerechter Weise abgesetzt worden, suchte vergebens eine neue Anstellung, und
warf nun allen Groll auf den König, an dein er seine Rache befriedigen
wollte. Kurz vorher hatten im schlesischen Gebirge, wo die Noch der armen