1859 -
Leipzig
: Fleischer
- Autor: Kurts, Friedrich, Nösselt, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Bürgerschule, Gelehrtenschule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
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ringen. Gut und Blut des Volkes wurde gemißbraucht.#) Zu spät sah,
wen überspannte Freiheitsträume in diese Reihen geführt hatten, die Schmach
der Genossenschaft ein.
Unterdeß hatten die Aufständischen in der Pfalz den Versuch gemacht,
sich der Reichsfestung Landau zu bemächtigen. Allein er verunglückte, und
der tapfre Oberst Burckhard schwor, sich mit der Festung eher in die Luft zu
sprengen, ehe er sie an die Insurgenten verlöre. Der Oberbefehl über die
badische Macht wurde dem bekannten Polenführer Mieroslawski über-
geben. Der erste Zusammenstoß mit hessischem Militair erfolgte bei Lauter-
bach am 24. Mai; am 30. war ein Gefecht bei Heppenheim. Es zogen sich
nun auch bedeutende Truppenmassen zusammen, doch würde die Bekämpfung
des Aufstandes sehr schwierig, vielleicht unmöglich gewesen sein, wenn nicht
Preußen seine Macht gesendet hätte. Der König ließ einige Armeecorps
mobil machen; 23 Bataillone unter General Hirschfeld rückten in die Pfalz;
30 Bataillone, geführt vom General Graf Gröben, zogen am rechten Rhein-
ufer nach Baden. Der Prinz von Preußen selbst, auf den bald bei seiner
Ankunft in diesen Gegenden in Ingelheim am Rhein ein glücklicherweise ver-
fehltes Attentat versucht wurde, übernahm den Oberbefehl. Ein drittes Eorps
unter General Peucker bestand aus Reichstrnppen. Mitte Juni begannen die
Operationen. Zwar errang Mieroslawski bei Weinheim und Ladenburg den
15. und 16. Juni einen vorübergehenden Erfolg, allein Hirschseld drängte
die Pfälzer vor sich her, ging am 20. bei Germersheim über den Rhein und
vereinigte sich mit Gröben. Nun wurden die Aufständischen rasch zurückge-
worsen. Am 21. siegten die Preußen bei Waghäusel und nahmen dann
Mannheim und Heidelberg; am 22. empfing das Peucker'sche Corps, nach
einem angestrengten Seitenmarsche, die Flüchtigen bei Sinsheim; am 23.
Gefecht bei Ubstadt, am 24. bei Bruchsal. Den 25. wurde bei Durlach noch
heftig gekämpft, aber am Nachmittage zog der Prinz von Preußen in Karlsruhe
ein. Brentano war in's Oberland geflüchtet; er war nicht radical genug,
wurde abgesetzt und ein ehemaliger Offizier, Kiefer, zum Dictator ernannt.
Mieroslawski hatte bei Rastatt fein Heer gemustert; es waren gegen 40,000
Mann, welche den anrückenden Preußen, 29. Juni, bei Muggensturm ein
zwölfstündiges, blutiges Gefecht lieferten, aber geschlagen wurden. Nun flüch-
teten treulos die Führer des Aufstandes, zum Theil mit Kassengeldern oder
gewinnsüchtiger Beute bereichert, in die Schweiz und ließen das verleitete
Volk den Rest des Unglücks allein tragen. Am 7. Juli zog der Prinz von
Preußen in Freiburg ein und am 11. Juli gingen die letzten Aufständischen
von Constanz aus über die Gränze der Schweiz. Die Festung Rastatt mußte
sich am 23. Juli ergeben. Der Aufstand war überwunden; Ordnung und
die Geltung des Gesetzes kehrten wieder. Ein Theil der preußischen Truppen
blieb bis zur neuen Formation des badischen Militairs in Baden stehen.
Aber der Großherzog Leopold, erschüttert durch diese schrecklichen Er-
lebnisse, erkrankte nach seiner Rückkehr und starb nach einigen Jahren, 1852.
*) Ms in dem revolutionairen Landesausschuß in Karlsruhe ein Abgeordneter die offene
Erklärung forderte, daß nicht die Reichsverfaffung, sondern die social-demokratische Republik
das Ziel des Aufstandes sei, wurde der Antrag deshalb verworfen, weil man dadurch bei
dem Volke Verdacht erregen könne.