1. Bd. 2
- S. 11
1838 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Rotteck, Karl von
- Auflagennummer (WdK): 13
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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Viertes Kap. Allgemeinste Gestalt der Welt.
Ein Sieg hatte Cyrns das medische, ein anderer das ly dische,
ein dritter das b ab y lo nisch e Reich unterworfen. Das Schicksal schien
diese großen Massen nur darum gebildet zu haben, damit sie um so leichter
in eine noch größere zusammenfielen. Iezt war keine Macht mehr, die
sich mit Persien hätte vergleichen dürfen. Jedes überwundene Volk
gab neue Mittel und Streitkräfte her, um noch andere zu überwinden.
Es fiel das stolze Aegypten; Thrazien, Makedonien huldigten;
Indien zitterte. Aber die armen Scythen, durch ihre Wildnisse ge-
deckt, trozten dem furchtbaren Reiche; und das kleine Griechenland
demüthigte, erschütterte, untergrub es. Der orientalische Despotismus
mit seinem traurigen Gefolge, Serail-und Satrapenregierung, hatte
aus ihm einen Koloß ans thönernen Füßen gemacht. Der ungeheuere,
schlechtverbundene Staat, durch Empörung in den Provinzen und Zwist
im Königshause unabläßig zerrüttet, ohne anderes Erhaltungs-Prin-
zip, als den Schrecken, seinen eigenen Völkern meist ebenso verhaßt,
als den Fremden — mußte zu Grunde gehen durch langsame innere Auf-
lösung, oder schnell Zusammenstürzen durch einen energischen Angriff
von außen. Das Vcrhängniß hatte das Leztere beschlossen. Dcrmace-
donische Held Alerander zerstörte plözlich das wankende Reich.
Die Kriege gegen Persien waren das vorzüglichste Mittel zur Er-
hebung Griechenlands gewesen. Die gemeinschaftliche Gefahr hatte
seine vielen Stämme zur engeren Vereinigung gebracht, der glückliche
Erfolg hatte ihr Selbstgefühl erhöht und Nacheiferung einen allgemeinen
Heldenmnth erzeugt. Frei im Inneren, ruhmgekrönt und gesichert von
Außen, hätten sie ein glückliches und edles Volk werden, und auf fried-
lichen Wegen durch Handel und Kolonien immerdar weiter sich aus-
breiten mögen, wären sie einig unter sich, einfach in Bedlirfniß und
Sitte und treu der Tugend, dem Patadium der Freiheit, geblieben. Oder
hätten sie, weit solche Reinheit der Sitten und unaufhörliche patrio-
tische Selbstverläugnung sich schwer erhalten lassen, einen mäßigen Pri-
mat unter sich gegründet, die Wahrung des allgemeinen Jnteressc's, die
Leitung der allgemeinen Kraft einer gesezlich organisirten Ccntralgewalt
übertragen; sie wären zwar etwas weniger frei im Innern, aber nach
außen um so furchtbarer geworden. Keines von beiden geschah. Der
Primat, welchen Sparta zuerst und darauf Athen besaßen, war
weder gesezlich bestimmt, noch durchgängig anerkannt, kraftlos für's
Allgemeine, tyrannisch ans Einzelne wirkend, verhaßt, ein Zunder der
Eifersucht und die Quelle verwüstenderkricge. Zum zweitenmale schwang
sich Sparta über den Trümmern der athenischen Größe zur Herr-
schaftauf, und mißbrauchte sic mehr, als zuvor. Der allgemeine, wohl-
verdiente Haß und Thebens, durch zwei Helden plözlich gebaute, Macht