1. Bd. 2
- S. 18
1838 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Rotteck, Karl von
- Auflagennummer (WdK): 13
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
18 Erstes Kap. Geschichte der Perser.
men von dem gepriesenen Dschemsch id oder G iamsid ableiten, ls.
Wahl Beschreibung d. pcrs. Reiches^) entsprossen, und durch Talent
und Glück das Haupt der Nation geworden sey. Vor ihm war dieselbe
noch wenig berühmt gewesen; doch kannte man sie als ein tapferes,
unverdorbenes Volk, von einfältiger, naturgemäßer Sitte. Es hatte
die Hoheit Assyriens und nachmals Mediens erkennen müssen; gleich-
wohl lebte cs, durch seine Berge und seinen Muth geschüzt, in gerin-
ger Abhängigkeit, nach alter einheimischer Weise. Es war in zehn
Stämme, drei der Krieger, drei der Ackerleute und vier der Hirten ge-
theilt, und mochte 120,000 wehrbare Männer zählen. Cyrus (er hieß
zuvor Agradatns, nahm aber, als er zum Haupt aller Stämme
sich ernennen ließ, von Khor ldie Sonnei den Ehrennamen Khores
— Cyrus — an) führte sie plöztich zum Sieg und zur Herrschaft
(3425. 558 v. Chr.). Bei Pa sargada schlug er die Meder; in den
Gefilden von Sardes die Lydier; Babylon nahm er durch List.
Nichts widerstund ihm. In wenigen Jahren war Mittelasien und Vor-
derasicn sein. Der glückliche Hordenführer verstund besser zu siegen, als
einen Staat künstlich einzurichten. Fast alle Maßregeln, die er nahm,
die Unterwürfigkeit der Völker zu erhalten, tragen ein barbarisches Ge-
präge, wiewohl sie allerdings den Umständen der Eroberungen und dem
Charakter seines, so wie jenem der besiegten Völker entsprachen. Wir
werden solches anderswo näher beleuchten; hier bemerken wir noch,
daß Cyrus mit seinen Pasargaden, abermals im Geiste einer er-
obernden Nomadenhorde, die weicheren Sitten der Besiegten, vornem-
lich der Meder (*), großentheils annahm, durch Einführung des me-
dischen Hofceremonielö seinen Thron mit erhöhtem Glanz umgab,
und durch die Begünstigung der magischen Priesterkaste Zoroasters Lehre
eine gesicherte und erweiterte Herrschaft gab. Der Freilassung der I u-
den aus der babylonischen Gefangenschaft haben wir schon oben (B. I.
S. 115) erwähnt. Die lezte Scene seines Lebens wird von Nenophon
und Herodot so widersprechend, als die ersten erzählt. Aber wer kann
glauben, daß der Würger der Nationen, und der um blutiger Triumphe
willen des Sohnes Erziehung verwahrlosete, daß der Gründer einer
schrankenlosen Despotie unter Aeußerungen sokratischer Weisheit und
Tugend gestorben? — Herodot's Nachrichten sind eines Eroberers wür-
diger. Unersättlich des Ruhms und des Raubes hatte Cyrus zulezt
auch die scythischen Völker jenseits des Iavartes bekriegt. Aber für die
Massageten stritten ihre Wildnisse. Nachdem er unvorsichtig ins In-
(*) Die Meder behauvteten unter den besiegten Völkern fortwährend
Len ersten Rang. Auch wurde oas Reich gewöhnlich das Medo per fische
genannt.