1. Bd. 2
- S. 93
1838 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Rotteck, Karl von
- Auflagennummer (WdK): 13
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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Makedonien und Griech enland.
Fürst, dem großen Philipp an Talent und Charakter zu verglei-
chen, ein tapferer und einsichtsvoller Feldherr und, wenn nicht die
Leidenschaft ihn fortriß, auch ein trefflicher Politiker, hatte seine
Regierung auf eine vielversprechende Weise begonnen. Er schien der
Liebe und des Zutrauens so würdig, als der Achtung; sein Reich hatte
sich völlig von den alten Wunden erholt, und die Verhältnisse Griechen-
lands begünstigten mehr, als je die Wiederherstellung der macedonischen
Herrschaft. Nur durch die Hast, womit er dem Ziele znlief, verrückte
er dasselbe; auch wurde er frühe durch Schmeichler verderbt, herrisch
und grausam.
Der Krieg gegen die Aetolier hatte guten Erfolg; Philipp
führte ihn meist nach den Rathschlägcn des Aratns, welcher zur
zweiten Rolle tauglicher, als zur ersten schien. Aber die freimüthige
Vertheidigung der Rechte seines Vaterlandes machte ihn dem Könige
verhaßt, und dieser vergiftete ihn.
Nach Aratns wurde Philopömen achäischer Strategos. Ein
Mann, der für sein Vaterland war, was Epaminondas für Theben
gewesen. Auch hatte er sich diesen Helden zum Vorbilde gewählt, und
war der lezte große Grieche. Der Krieg gegen die Aetolier, welchen
ein kurzer Friede unterbrochen hatte, wurde erneuert (3772. 211
v. Ehr.), und ungeachtet Sparta und verschiedene auswärtige Mächte,
vorzüglich Rom, mit den Aetoliern im Bunde standen; so zwang sie
doch Philipp, in dessen Interesse damals die Achäer noch waren,
zum nachtheiligen Frieden (3778. 205 v. Chr.).
§. 20. Makedonien und Griechenland von Rom unterworfen.
Die Einmischung Roms änderte plözlich alle Verhältnisse. Die
Angelegenheiten Griechenlands wurden jezt nur untergeordnete Gegen-
stände der macedonischen Politik, und die Griechen, zwischen beiden
streitenden Hauptmächten gelegen und von zwei Seiten zugleich be-
arbeitet, hatten mehr, als je Behutsamkeit und Eintracht nöthig. Gleich-
wohl behielten, bei wachsender Gefahr der Erhaltung, die näheren
Interessen und die leidige Selbstsucht stets die Oberhand über die höhern
Rücksichten, und es erschienen Makedonien und Griechenland wie in
die Wette ihren gemeinschaftlichen Ruin befördernd. Zum Verständnisse
dieser Geschichten ist aber die Darstellung der allgemeinen damaligen
Weltlage und vorzüglich jene der römischen Politik vonnöthen. Ihre
umständliche Erzählung, als zur Uebcrsicht einer der interessantesten
Epochen der allgemeinen Geschichte gehörig, kann von der römischen
Geschichte nicht getrennt werden, und bleibt daher, um Wiederholun-
gen zu vermeiden, bis dorthin aufgcschoben.
Nur summarisch bemerken wir hier, daß Philipp, welchen die