1. Bd. 2
- S. 131
1838 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Rotteck, Karl von
- Auflagennummer (WdK): 13
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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Viertes Kap. Römische Geschichte.
schwach genug, dem Rufe zu folgen. Sein Glück war von kurzer Dauer.
Wie konnte er auch hoffen, mit den Lehren ernster Weisheit aufzukom-
men an dem Hofe eines frivolen Fürsten, gegen die Lockungen der
Wollust und die Ränke der anfgeschrecktcn Bosheit? — Bald wurde er,
wie Dion, verdächtig dem Tyrannen, welcher den lczten verbannte,
und den ersten in Gnaden entließ. Aber Dion kam zurück, und vertrieb
Dionysius. Ob er dabei ans rein patriotischem oder ans egoistisch-ari-
stokratischem Antriebe gehandelt, ist ungewiß — das lezte wahr-
scheinlicher. Populär wurde er niemals, und nach kurzer Verwaltung
ermordete ihn Kallippus. Auch dieser wurde vertrieben, und während
der nachfolgenden Zerrüttung des Staates fand Dionys Gelegenheit,
zum zweitenmale Herr von Syrakus zu werden (3633. 350 v. Chr.).
Das Unglück hatte ihn nicht gebessert. Er regierte sorgloser und will-
kürlicher, als zuvor. Zugleich fielen die Karthager mit Heeresmacht
in sein Gebiet. Da riefen die Syrakusaner die Mntterstadt Korinth
um Hilfe an. Sie schickte ihnen den edlen Timoteon mit 1000 Strei-
tern. Dieser große Mann und enthusiastische Freund der Freiheit, wel-
cher er sogar seinen Bruder geopfert, vertrieb Dionys zum zweitenmale,
richtete die Verfassung Syrakusens nach republikanischen Grnndsäzen
ein, befreite noch mehrere sicilische Städte von der Tyrannei, und
schlug die allgemeinen Feinde, die Karthager, am Krimessus in einer
entscheidenden Schlacht (3644. 339 v. Ehr.). Im Frieden wurden alle
griechische Städte für frei erklärt und der Halykus zur Grenze des
karthagischen Gebietes bestimmt. Nachdem Timoleon dies Alles voll-
bracht hatte, schlug er die Herrschaft, die Syrakus ihm anbot, mit
großer Seele ans, weil er das Lcwußtseyn edler Thal dem Flitter der
Majestät vorzog, und lieber von der Nachwelt verehrt seyn wollte, als
im Leben gefürchtet. Die Bürger lohnten ihm mit freiwilliger Ergeben-
heit, und, als er starb (3646. 337 v. Ehr.), beweinten sie ihn als Va-
ler. Wer war glücklicher, Timoleon oder Dionys?
§. 18. Agcrthokles, Hiero.
Nach seinem Tode kehrten die Schrecken der Tyrannei zurück. An-
fangs S osistra tus und darauf Agath oktes bemächtigten sich der
Herrschaft (3667. 316 v. Chr.). Der erste ein Aristokrat und mit den
Karthagern im Bunde; der zweite ein Mann des Pöbels, aber kühner
und glücklicher Abenteurer. Als er, nach wunderbar wechselnden Schick-
salen, endlich durch List und Gewalt den blutbesprizten Thron von Sy-
rakus bestiegen — die edelsten Einwohner, 4000 an der Zahl, waren
durch seine Söldlinge geschlachtet worden—, unterwarf er sich mehrere
andere Städte, und gerieth hiedurch in Krieg mit den Karthagern,
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