1. Bd. 2
- S. 148
1838 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Rotteck, Karl von
- Auflagennummer (WdK): 13
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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Viertes Kap. Römische Geschichte.
Anfänge des Staates bis auf Angustus Zeit dieselben Grundmarimen
der Politik in Zweck und Mitteln herrschend; nur daß sie in späteren
Zeiten, als ans größere Gegenstände angewendet und in einer weiteren
Sphäre wirksam, auffallender und wichtiger werden.
Des Grundsazes, „ niemals Frieden zu schließen, als wenn man ge-
sieget", ist schon oben (§. 4.) erwähnt. Der zweite, "aus jedem Kriege
die Mittel zu weiteren Kriegen zu-ziehen", wurde auf verschiedene
Weise, anfangs durch Einverleibung der Besiegten, darauf durch
Allianz mit denselben, endlich durch völlige Unterwerfung der
Völker in Ausübung gesezt. Das System der Einverleibung (jenes
der Kotonieen hatte ähnliche Wirkung) wurde in der Anwendung
aus engherzigen Gründen des Stolzes und des Egoismus nach Mög-
lichkeit beschränkt. Desto größeren Umfang hatte das System der
Allianzen.
Nicht nur die socii latini und italici nominis, welche, wie wir
oben sahen (§. 13.), durch ewige und engere Bande mit Rom ver-
knüpft, ihr Blut fortwährend für dessen Herrschaft vergossen; auch
auswärtige Völker und Mächte, aber nach verschiedenen Verhält-
nissen, wurden in dieses System, bald mit ihrem freien Willen, bald
durch Zwang, gebracht. Selten wurde ein Friede geschlossen, wo nicht
der Besiegte zugleich zum Bunde mit Rom sich zu bequemen hatte.
Sogar, wenn er für eigenes Interesse nicht mehr kriegen durfte,
mußte cr's doch zum Dienste des Siegers thun. Eben so zahlreich und
wichtig waren die freiwilligen Alliirten, welche man durch man-
cherlei Mittel zu gewinnen wußte, und von denen die Meisten selbst
das römische Bündniß suchten. Denn sie erhielten dadurch eine mächtige
Hilfe zur Vertheidigung und zum Angriffe gegen ihre näheren Feinde,
wogegen sie freilich auch die römischen Interessen zu verfechten hatten.
In solche Allianz wurden vorzugsweise die schwächeren Staaten
ausgenommen, die etwa von stärkeren bedrängt waren, und über der
näheren Gefahr der entfernteren vergaßen. Hatte man mit ihrer Hilfe
die mächtigeren gestürzt; so vergrößerte man jene durch das, was
man diesen geraubt, wodurch sie noch tüchtigere Werkzeuge zur Be-
ängstigung, zur Bekricgung und zur Erniedrigung der Starken wurden.
Auch ließ man ihnen das Geschenkte so lange, als man ihrer bedurfte,
oder sie schonen zu müssen glaubte. Zur gelegenen Zeit fanden sich Vor-
wände genug, die prekären Verleihungen zurückzunehmen, und die Alliir-
ten Selbst zu verschlingen. Ucberhaupt war jede Allianz mit Rom die
Grundlage einer Abhängigkeit, von der man sich nimmer befreite.
Alle Bundesgenossen (außer Italien) hörten damit auf, in Güte
oder mit Gewalt, — Unterworfene zu werden.