1. Bd. 2
- S. 239
1838 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Rotteck, Karl von
- Auflagennummer (WdK): 13
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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Staatsverfassung und Regierung.
den, welchen in einer der vier Regionen der Stadt oder der sechs und
zwanzig ländlichen Regionen umher Landeigenthum angewiesen war.
( Nur die P le b e j e r erhielten solche Anweisungen zum E i g e n t h n m e,
gewissermaßen als Abfindung. Die Patrizier erhielten größere Stre-
cken der Domaine, doch blos zur Nuznießung, die sie dann meist
wieder unter ihre Clienten vertheilten). Die Nachkommen der ursprüng-
lichen Mitglieder mit den allmälig neu Aufgenommenen sezten dann
die Vereinigung fort.
Die also in den Curien und Tribus einander gegenüber stehenden
beiden Stände wurden zur Nation algemein de vereinigt in den
Centurien. Servius Tullius nämlich theilte die Gesammtheit der
Bürger in sechs Klassen nach der Stufenleiter des Vermögens. In
der ersten mußte man wenigstens 100,000 asses ( 2132 Thlr.), in
der zweiten 75,000 »8868 (1600 Thlr.), in der dritten 50,000 »8868
(1066 Thlr.), in der vierten 25,000 »8868 ( 533 Thlr.), in der
fünften 11,000 »8868 (266 Thlr.) besizen; in der sechsten waren alle
Mittellosen. Aus den secbs Klassen zusammen wurden nun 103 Cen-
turien gebildet, jodoch so, daß die erste Klasse (*) (in welcher vor
Allen die in 18 Centurien vertheilten Ritter stimmten) deren 98, die
übrigen mit einander nur 95 zählten (die zweite 22, die dritte 20,
die vierte 22, die fünfte 30, die sechste aber nur 1), wornach die
erste Klasse allein, wenn sie einstimmig war, gegen alle anderen ent-
schied. Aber auch die Lasten des Staates (Steuern und Kriegsdienst
oder Bewaffnung) waren nach demselben Verhältnisse getheilt, und die
sechste Klasse — worin, neben den ärmeren Plebejern, auch die mei-
sten Clienten, als Nichteigenthümer, weil blos erbunterthänige
Nuznießer, waren — diente gar nicht im Kriege, wiewohl sie,
wenigstens zumtheit, einemäßigesteuer entrichtete (s. B.i. S. 182).
In dieser Lage (da die Patrizier auch durchaus die Reicheren
waren) war noch immer die Vermittlung des Königs nöthig, um
die gemeinen Bürger gegen den Druck des Adels zu schüzen.
Durch die Vertreibung der Könige, an deren Stelle die patrizischen
C onsuln kamen, wurde die aristokratische Gewalt des Adels dermaßen
vermehrt, daß die Last derselben der Plebs unerträglich schien, und
daher auch allsogteich die Versuche zu ihrer Verminderung begannen.
Zwar schon Valerius Publicola (s. röm. G. §. 5.) verord-
nete, daß von allen Magistraten die Appellation an's Volk gehen sollte;
aber diese berühmte l6x Valeria (ihr Grundsaz war schon älter, wie
(*) Die Bürger in dieser Klasse hießen vorzugsweise classici, daher das
Wort „klassisch". — Ueber die Zahl der Centurien in jeder Klasse kömmt je-
doch Livius mit Dionysius nicht ganz überein.