1. Bd. 2
- S. 242
1838 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Rotteck, Karl von
- Auflagennummer (WdK): 13
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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Erstes Kap. Bürgerlicher Zustand.
Stand, welcher jedoch später noch mehr durch verschiedene Vorrechte —
als Edrenstze im Theater gleich hinter den Senatoren — ausgezeich-
net, durch Pachtung ser öffentlichen Einkünfte reich, und als Mit-
telmacht zwischen dem Senat und Volk wichtig war. Wir haben in
der dctaillirten Geschichte erzählt, in welchem Wechsel, seit E. Grac-
chus Zeit, die Ritter und der Senat bald ausschtießungsweise, bald
gemeinschaftlich die Gerichte (judicia) erhalten haben, und welche
große Bewegungen darüber cnstanden sind. Eicero war die Zierde
und ein vorzüglicher Beförderer des Rittcrstandes.
Der dritte Stand, wenn gleich dem Range nach der lezte, war
doch durch seine Zahl und seine verfassungsmäßigen Rechte der stärkste,
ja eigentlich der Souvera in. Die Zahl der Senatoren und Rit-
ter verschwand gegen die große Volksmenge, und konnte, zumal in
comitiis iributis, gegen den entschiedenen Willen derselben nicht
aufkommen.
Gleichwohl wurde, theils durch die List der Vornehmen, theils
durch den natürlichen Lauf der Dinge, die Macht des großen Hau-
fens in Schranken gehalten, und es kam niemals eine reine De-
mokratie zu Stande.
Um wie Vieles die comitia tributa dem Volke vortheilhafter, als
die comitia centuriata waren, ist aus dem früher Gesagten klar.
(Die coinitia curiata, nach errungener politischer Gleichstellung der
Plebejer mit den Patriziern, verloren ihre Bedeutung, und hörten
allmälig auf.) Aber viele Geschäfte wurden fortwährend auf den
comitiis centuriatis verhandelt — eine Zeitlang jedoch noch abhän-
gig von der Beistimmnng der Cnrien —, und es wußten die Vor-
nehmen auch die comitia tributa, worin die vorzüglichste Stärke der
Tribunen bestand, für sich minder schädlich zu machen durch die
(s. §. 14. der röm. Gesch.) von Fab ins Marimus angeorduete
Verweisung des Pöbelhaufens in die tribus urbanas und der ange-
seheneren Leute in die tribus rusticas* Auf eine ähnliche Weise
wurden nachmals (ibid. §. 47) die als Bürger aufgenommenen Bun-
desgenossen in acht eigene Tribus verthcilt, um die übrigen von
ihrem Einflüsse frei zu erhalten (*).
(*) Wir wollen hier eine — nicht neue, aber wichtige — Bemerkung, welche
nicht nur für Rom, sondern auch für Athen und für alle größeren Re-
publiken des Alterthums gilt, in eine Note sezen. Sobald die Zahl der Aus-
breitung einer Bürgergemeinde also zunahm, daß sie entweder schwer oder gar
nicht in eine ordentlich beratbschlagende Versammlung konnte vereinigt wer-
den; so blieb kein anderes Mittel zur Erhaltung einer gesezlichen und Nicht
von Stürmen bewegten Freiheit übrig, als das Reprasentationssystem.
Aber zu dieser Idee haben die alten Politiker sich nicht ausgeschwungen. Sie