1. Bd. 2
- S. 249
1838 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Rotteck, Karl von
- Auflagennummer (WdK): 13
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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Staatsverfassung und Regierung.
gebietende Nation im Zaume halt, die Tyrannei unvermeidlich. Die
Weltherrscherin Rom wollte die Früchte ihrer Triumphe genießen. Seit
A. U. 586 zahlten ihre Bürger keine Abgaben mehr; die Last des Staates
in Krieg und Frieden wurde aufdie Provinzen gelegt, aus deren
Mark sich auch die einzelnen Römer, so viel ihrer dazu gelangen
konnten, mittelbar oder unmitttclbar bereicherten. In dem Maße es
schwerer ist, ein ganzes Volk, als einen oder wenige Tyrannen zu
sättigen, in dem Maße mußten die römischen Provinzen gedruckter,
als z. B. die persischen seyn. Keine andere Verbindung war unter
ihnen, als die der Sklavenkette, die sie alle umschlang; vereinzelt und
rettungslos waren sie alle preisgcgebcn an Roms überschwengliche
Macht. Wohl waren Geseze vorhanden über die Verwaltung der Pro-
vinzen; aber nicht gegen diese Provinzen, nur gegen die Eigcn-
thümerin Rom, waren die Statthalter durch dieselben verpflichtet.
Und dieses Rom, wiewohl es für die fortwährende Nu zun g der Län-
der als seines Gemeingutes sorgen mußte, hatte doch den Grund-
saz angenommen, die Regierung derselben den austretenden Magi-
straten unter dem Titel der Proconsuln oder Proprätoren als
Belohnung zu übertragen; und so sahen auch die Quästoren,
Legaten, und wer immer eine bürgerliche oder militärische Gewalt
in der Provinz erhielt, dieselbe als ein fruchtbringendes Kapi-
tal an, das man nüzen müsse, so gut und so lang man könne. All-
j äbrli ch (*) — gemäß der republikanischen Grundsäze, und damit
recht Viele Thcil am Raube bekämen — wurden solche Statthalter
in die Provinzen geschickt (**), mit unumschränkter Gewalt über die
Eiuwobner und schreckend durch militärische Macht. Hier zogen sie
mit dem Pompe der Souveraine einher, trieben allenthalben auf scham-
lose Weise Abgaben, Geschenke, Strafgelder ein, verkauften die Justiz,
und führten noch eine Schaar von raubsüchtigen Freunden, Clienten,
Untcrbcamten, Freigelassenen und Sklaven mit sich, welche alle mit
der Gunst ihres Herrn einen einträglichen Handel trieben (***). Die
Allgemeinheit solcher Attentate machte sie fast gänzlich straflos. Nur,
wenn die Frechheit zu weit ging, oder wenn die Provinz mächtige
(*) Dieses war die Regel. Doch wurde oftmals die Gewalt auf mehrere
Jahre verlängert. Um wie viel druckender mußte solcher Wechsel der Herren,
als z. B- lebenslängliche Satrapiee n seyn? —
(**) Der Regel nact, gebührte dem Senat das wichtige Recht der Pro-
vinzenvertheilung. Cäsar im ersten Consulat ließ sich seine durchs Volk zu«
sprechen (s. tz. 57).
(***) Lag die Provinz an der Grenze, so wurden auch die benachbarten
Könige und Bundesgenossen gebrandschazt, oder der geringste Vorwand zu
einem kriegerischen Naubzuge benuzt.