1. Bd. 2
- S. 290
1838 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Rotteck, Karl von
- Auflagennummer (WdK): 13
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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Drittes Kap. Kunst und Wissenschaft.
der Perserkriege erbaut. Die Tempel des Apollo zu Delphi und
auf Delos sind etwas früher errichtet und in der dorischen Ordnung,
so auch verschiedene Tempel in Großgriechenland. Der Tempel der
Inno auf Samos und jener der Diana zu Ephesus, ein Wunder
der Wett, waren wenig jünger, aber schon in der jonischen Ordnung.
Der Tempel des Jupiter und jener der Minerva (Parth enon) zu
Alben, die großen Tempel zu Olympia, Eleusis und viele andere
erhoben sich in kurzer Frist. Um dieselbe Zeit wurden in den meisten
Städten prächtige Säulengänge—- die Lieblingsgebäude der Grie-
chen — , Theater, Odeen, Gymnasien u. s. w. aufgeführt; spä-
ter aber, unter der macedonischen Herrschaft, Aegypten und Asien
mit neuen Städten und einzelnen Bauwerken in griechischem Geschmack
erfüllt. Vor allen strahlte die Herrlichkeit Alexandriens.
§.7. Römische Kunst.
Die Eroberung Siziliens und später Achaja's machte die Rö-
mer mit griechischen Kunstwerken bekannt, auch lüstern darnach, aber
keineswegs Selbst zu Künstlern. Nach den römischen Begriffen von
Völkerrecht gehörte Alles dem Sieger, was des Besiegten gewesen;
und da die rohen Landtente an der Tiber durch die Waffen nun mäch-
tig und reich geworden; so begehrten sie auch nach vornehmeren Ge-
nüssen. Daher, nachdem sie Griechenland unterjocht und entwaffnet,
ihm das Mark ausgesogen und die Blüthe seiner Bevölkerung hinge-
würgt -hatten; so raubten sie ihm noch seine friedlichen Kunstwerke,
die kostbarste aber harmlose Zierde, den einzigen noch übrigen Trost
iu seiner Erniedrigung. Sie schleppren weg, wessen sie habhaft wur-
den, verdarben dabei und zertrümmerten Vieles, und stellten die un-
rühmliche Beute als glorreiche Trinmphstücke im Vaterlande auf.
Keine Uubild war den Griechen schmerzlicher; sie glaubten mit zwei-
fach heiligem Rechte zu besizen, was die Schöpfung ihrer einheimi-
schen Kunst war, und hingen mit schwärmerischer Leidenschaft an
den Denkmalen ihres vaterländischen Ruhmes. Nachmals kamen
wieder bessere Zeiten. Die Römer, nach vorübergegangenem Sieges-
räusche, übten weniger Gcwaltthat mehr. Auch war nicht so leicht,
den Kunstreichthum Griechenlands zu erschöpfen. (Noch zu Plinius
Zeit zählte man blos in Detpbi 3000 Statuen, und vom Dianen-
Tcinpel zu Ephesus sagt derselbe Schriftsteller, daß mehrere Bände
zur Beschreibung von dessen Kunstschäzen erforderlich wären.) Aber
Vieles und zum Theil das Beste wurde geraubt, und jedes leere Pie-
destat, in Tempeln, Hainen und Pläzen, erinnerte die Griechen an
ihre Schmach und an den Uebermuth ihrer Bedrücker.