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1. Bd. 2 - S. 292

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
202 Drittes Kap. Kunst und Wissenschaft. Nicht blos die eigentliche Tonkunst wurde darunter verstanden; ge- wöhnlich rechnete man auch Deklamation, Tanz und Geber- dcnspiet, Poesie und Redekunst dazu (*); oder überhaupt alle geistige Uebungen (daher die uyooyss /jcva/Kc), im Gcgensaze der yvvvty.c'y, oder endlich in noch größerer Allgemeinheit Alles, worauf sich der Begriff der Harmonie natürlich oder figürlich au- wenden laßt, sonach fast das ganze Gebiet sowohl der spekulativen Wissenschaften, als der praktischen Philosophie und die wirkliche Tu- gendübung. Diese schwärmerische Erweiterung des Begriffes galt vor- züglich in der pythagoreischen Schule, wie wir unten bemerken wer- den. Für sezt haben wir nur von der Tonkunst zu reden. Schon in frühen Zeiten lernten die Griechen dieselbe kennen, im Geleite der Poesie und der sanfteren Gesittung. Die ältesten Dich- ter und so auch die meisten ihrer Nachfolger waren zugleich Tonkünst- ler, was den Eindruck ihrer Gesänge verstärkte. Daher der Musik nicht minder, als der Dichtkunst die erste Civilisirung der Nation zugeschrieben wird. Deßwegcn, und weil man ihre mächtige Wirkung auf die Gemüther fortwährend erkannte, hielten die größten Gesezge- der und einsichtsvollsten Magistrate für uothwendig, sie durch Anstal- ten und Verordnungen zu begünstigen, und nn't Strenge über ihrer Erhaltung zu wachen (**). Man gebrauchte sie beim Gottesdienste, bei Volksversammlungen, bei jeder öffentlichen und Privatfeicr; un- wissend darin zu seyu, war Schande. Aber ihr Charakter war Würde und Ernst, Vergnügen nur ein untergeordneter Zweck. Den Sturm der Leidenschaften sollte sie besänftigen, nicht erregen. So wurden bei Gastmalen Götter- und Heldenhymnen gesungen, um die Ausschwei- fungen des Trunkes zu verhindern; so folgte eine Zahl Flötenspieler den Spartanern in die Schlacht, um den Ungestüm der jungen Krie- ger zu mäßigen u. s. f. Bei solcher Anwendung schien auch wichtig, den wohlbcrechneten Erfolg durch unveränderte Beibehaltung dersel- den Instrumente, Tonarten und Saugweisen zu sichern. Aber die Einführung der Musik auf das Theater, mehr noch der allgemein ein- reißeude Hang des Vergnügens, änderte nach und nach ihren Cha- rakter. Die Musik wurde künstlicher, vollkommener, aber auch wei- cher, üppiger, gefährlicher für Phantasie und Herz. Solche Aende- (*) Die Wunder, die man von der Musik erzählt, konnten nur von der vereinten Wirkling jener Künste herrühren. So muß die Mythe von der Lever Amphion's, so die Sage von Terpander, der durch die Musik einen Aufruhr dämpfte, verstanden werden. (**) Plato behauptete, daß Neuerungen in die Musik einführen so viel heiße, als die Grundfesten des Staates erschüttern.
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