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1. Geschichte der neueren Zeit - S. 77

1861 - Münster : Coppenrath
77 gleichgültig gegen die trügerischen Reize der irdischen Macht und Hoheit. Er sehnte sich nach Ruhe, welcher er während der ganzen Dauer seiner Negierung nicht genossen halbe, um endlich jetzt, am einbrechenden Abende des Lebens, fern vom Getümmel dieser Welt, in stiller Einsamkeit zum nahen lieber- tritte in eine bessere Welt sich vorzubereiten. Vielleicht war schon damals, in jener schauerlichen Nacht auf den Tiroler Felsenhöhen, als so Alles, was irdische Größe zu geben ver- mag, wie eine abgestreifte Hülle vor seinen Füßen lag, dieser Wunsch in ihm rege geworden. Auch zunehmende körperliche Leiden mahnten ihn an sein nahes Ende. Deshalb übergab er im Oktober 1555 zu Brüssel in einer feierlichen Versamm- lung seinem Sohne Philipp die Regierung der Niederlande; Mailand und Neapel hatte er ihm schon früher abgetreten. Es war ein rührender Anblick, und Männer weinten, die nie eine Thräne vergossen hatten, als der kranke, lebensmüde Kai- ser mit Mühe, auf die Schulter Wilhelm's von Oranien ge- stützt, aus seinem Sessel sich erhob und die Thaten seines Le- bens kurz auseinandersetzte. „Seit seinem siebenzehnten Jahre habe er neun Züge nach Deutschland, sechs nach Spanien, sieben nach Italien, vier nach Frankreich, zehn nach den Nie- derlanden , zwei nach England und eben so viel nach Afrika gemacht; elfmal sei er über die See geschifft, habe viele Kriege geführt, viele Friedens- und Freundschaftsverträge geschlossen und viele Siege erfochten. Dies Alles habe er der Religion und des Staates wegen gethan, so lange seine Kräfte hin- reichten, es zu thun. Jetzt setze er aus gleichem Beweggründe an die Stelle eines alten, von Krankheiten aufgeriebenen Mannes einen jungen, munteren und tapferen Fürsten, mit der Ermahnung an seine Unterthanen, jenem treu und gehor- sam zu bleiben, und mit der Bitte an sie, ihm selbst zu ver- geben, wenn er während seiner langen Regierung etwas ver- sehen oder nicht mit dem Eifer gethan habe, mit welchem er es hätte thun sollen." Hierauf wandte er sich an seinen Sohn Philipp und ertheilte ihm mit der stillen Sanftmuth eines
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