1861 -
Münster
: Coppenrath
- Autor: Welter, Theodor Bernhard
- Auflagennummer (WdK): 16
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Höhere Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gymnasium, Höhere Bürgerschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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gleichgültig gegen die trügerischen Reize der irdischen Macht
und Hoheit. Er sehnte sich nach Ruhe, welcher er während
der ganzen Dauer seiner Negierung nicht genossen halbe, um
endlich jetzt, am einbrechenden Abende des Lebens, fern vom
Getümmel dieser Welt, in stiller Einsamkeit zum nahen lieber-
tritte in eine bessere Welt sich vorzubereiten. Vielleicht war
schon damals, in jener schauerlichen Nacht auf den Tiroler
Felsenhöhen, als so Alles, was irdische Größe zu geben ver-
mag, wie eine abgestreifte Hülle vor seinen Füßen lag, dieser
Wunsch in ihm rege geworden. Auch zunehmende körperliche
Leiden mahnten ihn an sein nahes Ende. Deshalb übergab
er im Oktober 1555 zu Brüssel in einer feierlichen Versamm-
lung seinem Sohne Philipp die Regierung der Niederlande;
Mailand und Neapel hatte er ihm schon früher abgetreten.
Es war ein rührender Anblick, und Männer weinten, die nie
eine Thräne vergossen hatten, als der kranke, lebensmüde Kai-
ser mit Mühe, auf die Schulter Wilhelm's von Oranien ge-
stützt, aus seinem Sessel sich erhob und die Thaten seines Le-
bens kurz auseinandersetzte. „Seit seinem siebenzehnten Jahre
habe er neun Züge nach Deutschland, sechs nach Spanien,
sieben nach Italien, vier nach Frankreich, zehn nach den Nie-
derlanden , zwei nach England und eben so viel nach Afrika
gemacht; elfmal sei er über die See geschifft, habe viele Kriege
geführt, viele Friedens- und Freundschaftsverträge geschlossen
und viele Siege erfochten. Dies Alles habe er der Religion
und des Staates wegen gethan, so lange seine Kräfte hin-
reichten, es zu thun. Jetzt setze er aus gleichem Beweggründe
an die Stelle eines alten, von Krankheiten aufgeriebenen
Mannes einen jungen, munteren und tapferen Fürsten, mit
der Ermahnung an seine Unterthanen, jenem treu und gehor-
sam zu bleiben, und mit der Bitte an sie, ihm selbst zu ver-
geben, wenn er während seiner langen Regierung etwas ver-
sehen oder nicht mit dem Eifer gethan habe, mit welchem er
es hätte thun sollen." Hierauf wandte er sich an seinen Sohn
Philipp und ertheilte ihm mit der stillen Sanftmuth eines