1. Bd. 1
- S. 110
1824 -
Ilmenau
: Voigt
- Autor: Thieme, Moritz
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
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rung in Schillern den Wunsch rege gemacht hatte, derselben beiwoh-
nen zu können? Die Reisekosten sollten ihm, von Mannheim aus,
vergütigt werden — denn Schiller mochte wohl auch, wie alle andre
Sänger auf Erden, nicht viel übrig haben — und so suchte er denn
um Urlaub zu dieser Reise nach. Man schlug ihm diesen aber nicht
nur ab, sondern drohte ihm auch mit „unangenehmen Maaßrcgeln,
da man sähe, daß er sein eigentliches Fach, die Heilkunde, vernach-
lässige und — Kvmödiantc zu werden trachte."
Wie hatte aber dieser Feuerkvpf, dieser Freiheit athmende Mensch,
auf dieses Warnungszeichen achten sollen! Er übertrug feinem:
Freunde, Carl Moser, verschiedene Aufträge und reiste heimlich nach
Mannheim.
Schiller kam hier an, und sah zum ersten Male sein Schauspiel,
die Räuber, auf einer Bühne, die damals das Muster und Vor-
bild aller Uebrigen in Teutschland war. Auf dem Mannheimer
Theater glanzten damals, unter der kräftigen und geistvollen Leitung
des Freiherrn von Dalberg, Sterne erster Größe: ein Jffland, Beil
und Beck «und noch so mancher Stern des zweiten Ranges. Na-
mentlich hatte 'Jffland's Franz Moor auf Schillern begeisternd ge-
wirkt, und sogar in ihm den Wunsch erweckt, selbst Schauspieler zu
werden. Diesem Vorhaben setzte sich aber redlich und offen der ehr-
liche Beil entgegen, indem er Schillern — gleichsam mit einem
Seherauge — sagte: „Nicht als Schauspieler, sondern als Schau-
spieldichter, werden Sie der Stolz der teutschen Bühne werden." —
Ein mißlungener Versuch, den er späterhin bei einer Geburts-
tagfeier seines Herzogs als Clavigo machte, überzeugte ihn von der
Wahrheit jenes gut gemeinten Rathes auf's Vollständigste— und
Schiller leistete für immer auf diesen Wunsch Verzicht. —
Schillers heimliche Entfernung von Stuttgardt aber war nicht
verborgen geblieben und er mußte dieses Vergehn gegen alle Dis-