1862 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt: Zeit: Mittelalter
- Geschlecht (WdK): Jungen
8 I. Deutschland vor der Völkerwanderung.
der Banmwipfel ankündigend. Erhoben wurde diese Heiligkeit der Stätte
noch, wenn sie dem Himmel näher, wenn dieselbe aus einem Berge lag,
höher, als die Wohnsitze der Menschen.
In dem heiligen Walde war das eigentliche Heiligthum der Gott-
heit besonders abgetheilt. In jenem versammelte sich das Volk, da
wurde das Gericht gehalten, ihn durfte jeder betreten (keiner aber ihn
verletzen oder ein Wild erlegen), dem innern Heiligthum jedoch durfte
man nur mit großer Ehrfurcht nahen. Da stand der Opferaltar, da
wurde der heilige mit Tüchern verhüllte Wagen verwahrt, auf dem die
Gottheit jährlich ihren Umzug hielt, da waren die geopferten Thier-
häupter aufgehängt, da hing man den Göttern einen Theil der Kriegs-
Leute auf. Nur der Priester durfte diesen heiligen Ort frei betreten.
In diesem innersten Heiligthum war es wieder ein Baum, der durch
sein Altcrthum, durch seine besonders laubige Krone oder Anderes aus-
gezeichnet, der Gottheit vorzüglich geweiht war. Oft standen solche
Bäume nicht in Wäldern, sondern frei, und dann war wohl nur ein
kleiner Raum um sie herum eingcfriedigt und galt als heilig. Ein
solcher Baum war u. a. die wunderbar große Donnereiche, welche der
heilige Bonifacius bei Geismar fällte. Neben diesen freien Heiligthü-
mern gab es jedoch in frühester Zeit schon Tempel für einzelne Gott-
heiten. Sie entstanden, sobald das Volk selbst sich bestimmtere Wohn-
sitze wählte und ansing, feste Wohnungen zu gründen; denn dem Hei-
denthum war der Gott in allen Verhältnissen dem Menschen gleich.
Schon die durch Tacitus uns bekannte Mutter Erde hatte in ihrem
heiligen Hain ihren Tempel.
Gottesdienst. Der als allwaltend und machtvoll erkannten Gott-
heit sucht der Mensch seine Verehrung zu beweisen, er trachtet sie sich
geneigt zu machen. Diese Verbindung zwischen ihr und ihm geschieht
durch das einfache oder das mit Gaben begleitete Gebet. Dieses nen-
nen wir mit einem durch das Christenthum erst cingeführten Na-
men Opfer, offerre, darbringen, der ältere Ausdruck dafür ist gothisch
Tblötan.
Der Anlaß zum Opfer konnte ein doppelter sein, man wollte ent-
weder den Göttern für ihre Wohlthaten danken und ihnen einen Theil
des von ihnen Gespendeten zum Zeichen des Dankes weihen, oder man
glaubte sie erzürnt und suchte sie durch eine mit der Abbitte der Ver-
gehung, durch die man ihren Zorn erregt meinte, verbundene Gabe zu
versöhnen. Die Dankopfer waren die frühesten und häufigsten, und
weil die Beweise der Güte sich täglich oder jährlich aufs Neue offen-
barten, so wurden sie mit der Zeit stehend und gingen in regelmäßig
wiederkehrende Feste über. Sie haben alle einen heitern Anstrich, der
noch dadurch gewinnt, daß die dargebrachten Gaben meistens dem Pflan-
zenreich angehören. Ernst dagegen ist das Sühnopfer; zu ihm ge-
nügten jene schuldlosen Gaben nicht, bei ihm mußte Theureres darge-
bracht werden, es mußte Leben entströmen, Blut fließen. Aller Opfer
höchstes war das Menschenopfer; in ihm begegneten sich alle alten