1862 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt: Zeit: Mittelalter
- Geschlecht (WdK): Jungen
4. Das Kriegswesen der alten Deutschen. 21
im Allgemeinen mit den beginnenden Bewegungen der Völkerwan-
derung an.
a) Waffen für das Nahgefecht. Die Keule, eine der rohe-
sten Waffen des Alterthums, wird als eine den Germanen eigenthüm-
liche Waffe bezeichnet, welche nicht nur zum Schlagen im Handgemenge,
sondern auch, nachdem sie geschwungen worden, zum Wurf auf nahe
Entfernungen gebraucht wurde. Sie bestand aus dem knorrigen Aste
eines zähen Holzes, war im Feuer gehärtet, später aber in ihrer gan-
zen Länge mit metallenen Spitzen beschlagen. Bei ihrem großen Ge-
wicht konnte sie als Wurfwasse nicht weit geschlendert werden, allein,
was sie traf, zerschmetterte sie mit großer Gewalt.
Die älteste germanische Stcinwaffe hat die Form eines ganz einfachen
rohen Keils oder Meißels von sehr verschiedener Größe, und zwar
einer Länge von zwischen 4 und 12 Zoll. Die zweite, den Urzeiten
angehörende Gattung von Schlagwassen, welche in Stein gefunden wird
und zugleich den Hiebwaffen angchört, ist die dem Streitkeil in der
Form nahe verwandte Streitaxt, welche schon eine sorgfältigere Be-
arbeitung erforderte und in der Regel aus festerem Gestein angefertigt
ist. Sie hat im Allgemeinen die Form einer heutigen Axt. Der Speer,
auch „Lanze, Spieß, Spitz", später „Gleve" genannt, machte einen we-
sentlichen Bestandthcil der Bewaffnung der germanischen Heere der Ur-
zeiten und weiterhin, noch bis in das späte Mittelalter hinein, der Rü-
stung der deutschen Ritterschaft aus. Im Beginn unserer Zeitrechnung
wurde der Speer in den germanischen Heeren hauptsächlich zur Bewaff-
nung der vordersten Schlachtreihen und dabei in einer so übermäßig
großen Länge geführt, daß er bei Gefechten im Walde oder in mit Ge-
strüpp bewachsenem Terrain nur sehr schwer zu handhaben war. In
Gefechten auf der freien und offenen Ebene dagegen, so wie in Gefech-
ten im sumpfigen Moorboden, in welchem die schwer gerüsteten Römer
sich nicht bewegen konnten, gewährten die langen Speere große Vortheilc.
Von sämmtlichen für das Nahgefecht bestimmten Waffen traten
Schwert und Dolch wohl zuletzt in einer gewissen Allgemeinheit in die Be-
waffnung der germanischen Heere der Urzeiten ein. Die ungenügende Halt-
barkeit, welche derartige Waffen von Stein bei der Wahl der leichter
zu bearbeitenden Steingeschiebe haben mußten, und die anfänglich große
Kostbarkeit und Seltenheit metallener Waffen, als letztere den Germa-
nen bekannt wurden, waren zu wesentliche Hindernisse, um annehmen
zu können, daß in den frühesten Urzeiten das Schwert eine allgemeine
Kriegswaffe der germanischen Stämme gewesen, sei. Erst im vierten
und fünften Jahrhundert scheint es allgemeiner und angesehener gewor-
den zu sein, wozu die Erfahrungen, welche die Germanen in ihren Krie-
gen in Bezug auf die mörderische Wirkung des kurzen römischen Schwer-
tes im Handgemenge gemacht hatten, und die fortschreitende Ausbildung
der Metallbearbeitung wohl nicht wenig beigetragen haben mögen.
1)) Waffen für das Ferngefecht. Die Schleuder ist gewiß
die älteste Wurfwaffe. Wir finden bei den germanischen Stämmen