1862 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt: Zeit: Mittelalter
- Geschlecht (WdK): Jungen
13. Geiserich.
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vermählt. Geiserich glaubte jetzt aller Verpflichtungen, welche ihm der
mit dem vorigen Kaiser geschlossene Friede auserlegte, ledig zu sein und
schickte sich an, einen Zug gegen Italien zu unternehmen. Diesmal
soll auch Eudoxia selbst, der sich Maximus als der Mörder ihres
früheren Gemahls angegeben hatte, den König der Vandalen durch
einen heimlichen Boten aufgefordert haben, sie und das Reich von dem
Tyrannen zu befreien. Geiserich landete mit einer großen Flotte an
der römischen Küste und zog gegen die Stadt. Hier war Alles in der
größten Verwirrung. Viele von den Vornehmen und aus dem Volke
suchten in der Flucht ihr Heil. Der schwache Kaiser, welchem schon
am Abende der Krönung die Last des Reiches zu schwer gewesen war,
wagte keinen Widerstand, sondern wollte selbst, wie er Allen erlaubte,
Rom zu verlassen, die Hauptstadt und das Reich aufgeben. Da brach
innerhalb der Mauern ein Aufstand los, an dem das Volk und die
Soldaten Theil nahmen. Maximus wurde getödtet, wie es heißt, von
den Dienern seiner Gemahlin, der Leichnam in Stücke zerrissen und
dann in die Tiber geworfen. Ein Theil der germanischen Truppen in
Rom scheint sich daun mit den Vandalen vereint zu haben, wenigstens
soll Geiserich unter Leitung eines Burgunders in die Stadt gerückt sein.
Vor den Thoren kam ihm der Papst Leo, welcher schon einmal den
Attila besänftigt hatte, entgegen, und auch jetzt gelang es ihm, Rom
wenigstens vor völliger Vernichtung oder den Gräueln einer gewaltsamen
Eroberung zu schützen. Am dritten Tage nach der Ermordung des
Kaisers rückten die Vandalen in die Stadt ein und plünderten dieselbe
vierzehn Tage hindurch mit aller Muße. Der Schmuck und die Schätze
der Kaiser, überhaupt Alles, was die Plünderungen der Tyrannen und
die Gothen von den ungeheuren Kostbarkeiten auf dem Capitol übrig
gelassen hatten, wurde jetzt weggenommen. Auch die heiligen Gefäße
des Tempels von Jerusalem wurden nach Afrika geschleppt, selbst das
bronzene, stark vergoldete Dach, womit Domitian den capitolinischen
Tempel geschmückt hatte, wnrde zur Hälfte abgedeckt. Mehrere Tau-
send Gefangene, die sich durch Schönheit des Leibes oder durch Kunst-
geschicklichkeit auszeichneten, wurden weggeschleppt, außerdem noch die
Kaiserin-Wittwe mit ihren beiden Töchtern.
Nach dem Tode Valentinian's erstreckte sich Geiserich's Macht von
den Grenzen Cyrene's bis zu den Säulen des Hercules. Wie und
unter welchen Bedingungen diese Provinzen so schnell und geräuschlos
eingenommen wurden, darüber können wir aus Mangel an Nachrichten
nichts Näheres augeben.
Mit der zunehmenden Schwäche des römischen Reiches mischte sich
Geiserich immer mehr in die inneren Angelegenheiten desselben.
Nach dem Tode des Kaisers Severus (465) war das Abendland
2 Jahre ohne Herrscher gewesen, da setzte endlich der griechische Kaiser
Leo seinen Feldherrn Anthemius auf den weströmischen Thron und der
römische Senat sammt dem Volke gaben ihre nutzlose Bcistimmung dazu.
Geiserich, der den Schwager seines Sohnes Olybrius als Prätendenten