1862 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt: Zeit: Mittelalter
- Geschlecht (WdK): Jungen
39. Verfall des ostfränkifchen Reiches unter den beiden letzten Karolingern. 163
Feinden umringt. Die Marken waren bedroht oder schon dem Reiche
entrissen. Am 8. Deccmber 899 starb Kaiser Arnulf, und bald er-
kannten die deutschen Stämme, wie viel sie an dem kräftigen Fürsten
verloren hatten.
2. Ludwig das Kind, 900-- 911.
Als man das Jahr 900 nach der Geburt des Herrn zu schreiben
begann, sah es unsäglich traurig in den deutschen Landen aus, und mit
weniger Freude hat man wohl nie ein neues Jahrhundert begrüßt.
Kaiser Arnulf, der das wankende Reich zu stützen versuchte und mit
tapferer Hand die Normannen, die verderblichsten Feinde desselben, auf
das Haupt geschlagen hatte, war so eben aus der Welt geschieden; der
Kaiserthron und der ostfränkische Königsstuhl standen erledigt, wer sollte
und konnte die drückende Last der Reichsregierung in dieser schrecken-
vollen Zeit auf seine Schulter nehmen?
Arnulf hatte einen einzigen ehelichen Sohn, Lu d w i g, damals ein Knabe
von 7 Jahren, hinterlassen, und dieses Kind wählten einmüthig und
ohne Zaudern die weltlichen und geistlichen Großen aller deutschen Län-
der, als sie sich am 21. Januar zu Forchheim an der Regnitz versam-
melt hatten, zum Könige des Ostfrankcnrcichs. Das Volk stimmte der
Wahl zu, und sofort krönte man das königliche Kind und erhob es auf
den Thron seines Vaters. Es war allerdings eine üble Wahl. Wie
sollte dieses Kind die Einheit des Abendlandes wahren oder Herstellen?
Die Lage der deutschen Länder heischte gerade ein kräftiges Oberhaupt,
einen Mann im vollen Sinne des Wortes! Noch lagen die Städte am
Rhein in Schutt und Asche, ihre Mauern waren zerstört; wer wollte
den Normannen wehren, wenn sie, nachdem der Sieger an der Dyle
nicht mehr war, von den Burgen, die sie ander friesischen Küste noch be-
setzt hielten, die alte Straße aufs Neue verfolgten? Ueber die Grenzen
Sachsens waren die Dänen und Wenden eingebrochen, an der thürin-
gischen Mark standen die Sorben und schon schweiften die Schaaren
neuer fürchterlicher Feinde, der Ungarn, bis an und bis über die Gren-
zen des Reiches.
Die Magyaren, wie sie selbst sich nannten, während das Abendland
ihnen schon damals den Namen der Ungarn beilegte, ein finnischer no-
madisirender Volksstamm, waren von ihren Wohnsitzen am westlichen
, Fuße des Urals durch nachdräugende Völker vor etwa 100 Jahren ver-
drängt worden, und hatten endlich ihre beweglichen Zelte an den Step-
pen am Dniepr aufgeschlagen, von wo sie bis zu den Donaumündun-
gen hausten. Jeder Stamm stand unter einem besonderen Häuptling,
und als das erste gemeinsame Oberhaupt des ganzen Volkes, das aus
der Wahl der sieben Häuptlinge hervorging, wird Arpad genannt, in
dessen Geschlecht dann die höchste Gewalt verblieb. Der Reichthum
der Magyaren bestand in Heerden von Rindern und Rossen, ihr Leben
brachten sie auf der Jagd und in Beutezügen zu, die sie bald in die
weitesten Fernen ausdehnten und auf denen sie schon im Jahre 862
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