1862 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt: Zeit: Mittelalter
- Geschlecht (WdK): Jungen
466 Dritter Zeitraum des Mittelalters: 1096—1273.
S. 443) vereitelt, und Johann, der gedacht hatte, mit dem Kaiser und
den übrigen Bundesgenossen das bezwungene Frankreich zu theileu, konnte,
als er nach England zurückkam, auf dem Festlande nur noch Rochelle
und einige Burgen sein nennen.
Am schlimmsten aber mußte er den Rückschlag der großen Nieder-
lage bei Bouvines in England empfinden. Die geistlichen und welt-
lichen Barone traten in London zusammen und erhoben laute Beschwerden,
besonders über den Kriegsdienst außer Landes, die stets wiederholten
ungesetzlichen Auflagen, die Herbeiziehung fremder Söldlinge in die kö-
niglichen Burgen und die Vergebung von Lehen an Ausländer. Johann
wollte Anfangs nicht nachgeben und versuchte die Geistlichen von den
weltlichen Baronen zu trennen dadurch, daß er den Capiteln und Mön-
chen die Wahlen frei gab. Als aber die Barone dem Könige den Ge-
horsam aufkündigten, durch ein Bündniß mit dem jungen Könige Alexan-
der von Schottland und mit den Wallisern „das Heer Gottes", wie sie
es nannten, verstärkten, und auch die reiche und mächtige Stadt London
zum Abfall bewogen, ließ er den Baronen durch Gesandte ankündigen,
zum Besten des Friedens und seines Reiches sei er gesonnen, ihnen
gnädigst ihre Forderungen zu gewähren. Zu Runnemede, einer Wiese
an der Themse, unweit Windsor, kamen beide Theile am 15. Juni 1215
zusammen, der Adel mit dem Schwerte in der Hand, der König um-
geben von der hohen Geistlichkeit, und Unterzeichneten eine Urkunde, die
unter dem Namen Magna Charta das ganze Mittelalter hindurch
als eine Zusammenfassung der vornehmsten Gesetze des englischen Staa-
tes gegolten hat und auf welche zum Thcil uoch die heutigen Freiheiten
Englands gegründet sind. Dieselbe enthält nicht sowohl neue Rechte,
als Bestätigung alter und neue Bürgschaften für den wieder hergestellten
freien Genuß derselben, namentlich gegen Willkür in der Besteuerung
und in der Rechtspflege. So sollen die Steuern des Adels und der
Stadt London nur durch den großen Rath des Königreiches bestimmt
werden, welcher aus den Erzbischöfen, Bischöfen, Aebten, Grafen und
großen Baronen besteht; ein freier Mann soll nur durch den Spruch
seiner Standesgenossen und nach den Gesetzen des Landes verurthcilt
werden können (wobei das Geschwornengericht als bekannt vorausgesetzt
wird). Eine Commission von 25 Baronen, die von sämmtlichen Baro-
nen gewählt wird, wacht über die Aufrechthaltung der Charte und soll,
wenn sie Verletzungen derselben bemerkt und ihre Vorstellungen erfolglos
bleiben, dem Könige durch Belagerung seiner Burgen und Besetzung
seiner Domänen so lange zusetzen, bis er nachgibt.
Diese Bestimmung zeigt insbesondere die Ohnmacht des Königs, der
so viel nur in der Hoffnung bewilligte, Alles durch Hülfe des Papstes
wieder rückgängig zu machen. Auch verdammte Papst Innocenz Iii. in
einer bald veröffentlichten Bulle deu ganzen Vertrag und verbot sowohl
dem Könige als den Baronen, der Urkunde irgend eine Gültigkeit bci-
zulegen. Die Barone, welche eine beständige Verbindung mit dem Kö-
nige von Frankreich unterhielten, begannen den Kampf mit Johann und