1862 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt: Zeit: Mittelalter
- Geschlecht (WdK): Jungen
102. Ludwig der Baier im Kampfe mit den Päpsten zu Avignon. 519
hielt eine heftige Anklagerede gegen ihn; darauf wurde in Ludwig's
Namen das Urtheil verkündigt, daß Jakob von Cahors, der sich die
beiden Gewalten, die kaiserliche und die priesterliche, angemaßt habe, der
päpstlichen Würde entsetzt sei und der weltlichen Gewalt zur Bestrafung
an Leib und Leben übergeben werden solle. Dann stellte er dem Volke,
das auf dreimalige Befragung seine Zustimmung gab, den Minoriten
Petrus Rainalducci aus der Diöcese Rieti als den neuen Papst vor.
Dieser Mann war gegen den Willen seiner Gattin in den Orden ge-
treten, wo er die Partei der Spiritualen ergriffen hatte.
Der Gegenpapst, der sich Nikolaus V. nannte, umgab sich durch
die Ernennung einiger Mönche von Ludwig's Partei mit einem Car-
dinals-Collegium. Ludwig empfing aus seiner Hand ein goldenes Dia-
dem, aber alles, was auf eine Verleihung der Kaiserwürde durch den
Papst und auf eine Unterordnung des Kaisers unter diesen deutete,
wurde dabei vermieden.
Bald darauf mußte Ludwig, durch Mangel und durch die Fort-
schritte Robert's gedrängt, unter dem Hohn und dem Wuthgeschrei des-
selben Volkes, das ihn bei seinem Einzuge mit Beifallsruf begrüßt hatte,
Rom mit seinem Papste verlassen. Eine Reihe von Städten, selbst die
Visconti's und andere Häupter der Ghibelliuen suchten Aussöhnung
mit dem Papste Johann; Rom versprach wiederholt Gehorsam; Niko-
laus V. mußte aus Pisa, wo ihn Ludwig zurückgelassen hatte, flüchten
und sich so lange verborgen halten, bis er 1330, auf dem Punkte, dem
Papste ausgeliefert zu werden, selber sich unterwarf, in Avignon öffent-
lich mit dem Stricke um den Hals seine Schuld bekannte, von Johann
den Friedenskuß empfing und seitdem bis zu seinem Tode im päpstlichen
Palaste in gelinder Haft blieb. Ludwig aber, während seines Verwei-
lens zu Pavia zu völliger Ohnmacht herabgesunken, war schon vorher
nach Deutschland zurückgekehrt.
Seit dieser Rückkehr gab sich Ludwig viele Mühe, den Papst zur
Zurücknahme seiner Censurcn und zur Anerkennung seiner Wahl zu be-
wegen; unter Vermittlung des Königs von Böhmen und des Erzbischofs
Balduin von Trier erbot er sich, alles wider Johann und den römischen
Stuhl Vorgenommene zu widerrufen und seine Lossprechung vom Banne
der Gnade des Papstes zu überlassen; er wollte auch eine Buße sich
auflegen und die Kaiserkrönung durch den Papst oder dessen Legaten
von Neuem sich ertheilen lassen; aber Johann ermahnte vielmehr die
Kurfürsten zur Wahl eines neuen Königs und schien, obgleich Friedrich
von Oesterreich unterdessen gestorben war, fest entschlossen, ihn nie als
Kaiser anzuerkennen, weil er sich immer noch mit dem Plane trug, die
deutsche und die kaiserliche Krone an das französische Königshaus zu
bringen.
Nach Johann's Tode suchte die französische Mehrheit der Cardinäle
die Rückkehr des päpstlichen Stuhles nach Italien um jeden Preis ab-
zuwehren und wählte einstimmig Benedict Xii. Dieser wohlgesinnte
Papst versprach einer römischen Gesandtschaft, in wenigen Monaten sei-