1862 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt: Zeit: Mittelalter
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Vierter Zeitraum des Mittelalters: 1273—1492.
der Bedingung, die bisherigen Beschwerden abzustellen und wegen der
Gefangenschaft keine Rache zu üben.
Nach seiner Befreiung kümmerte sich Wenzel um Deutschland eben
so wenig wie vorher, und zu den früheren Beschwerden der deutschen
Fürsten gegen ihn kamen noch andere, neue hinzu, vornehmlich die Er-
hebung des Johann Galeazzo Visconti zum Herzog von Mailand und
zum Reichsfürsten und die Erklärung Wenzel's gegen Papst Bonifaz Ix.
zur Beilegung der Kirchenspaltung.
Johann Galeazzo war 1378 seinem Vater in dessen Antheil an der
mailändischen Herrschaft gefolgt. Um allein und ungetheilt die Herr-
schaft über Mailand zu führen, nahm er plötzlich seinen Oheim und
Mitregenten Bernabo Visconti gefangen und ließ ihn vergiften. Nach der
Herrschaft über ganz Italien strebte er, und den Anfang zu der Unter-
werfung der ihn umgebenden italienischen Staaten machte er mit der Er-
oberung von Verona und Vicenza, woraus er die Familie della Scala
verjagte; neuen Zuwachs seiner Macht erhielt er durch die freiwillige
Unterwerfung der Stadt Siena, welche ihn zu ihrem Schutzherrn er-
nannte. Um seiner Herrschaft, die fast sämmtliche Städte und Gebiete
in Oberitalien umfaßte, eine festere Grundlage zu verschaffen, als bloße
Eroberungen mit Gewalt der Waffen geben konnten, ließ er sich durch
Wenzel nicht nur den Besitz aller seiner Länder als Lehen des römi-
schen Reiches für sich und seine Nachkommen bestätigen, sondern auch
den herzoglichen Titel beilegen mit gleichen Rechten eines Reichsfürsten.
Dieses alles hatte Johann Galeazzo durch 100,000 Goldgulden bei
dem geldbedürftigen König Wenzel erlangt. Die Reichsfürsten waren
darüber sehr aufgebracht, daß, ohne ihren Rath einzuholen, ein neuer
Rcichsfürst creirt und für Geld Titel und Länder einem Usurpator zu-
gesprochen wurden, dessen übergroße Macht dem Reiche leicht gefährlich
werden konnte.
Seit Clemens V. hatten die Päpste ihren Sitz von Rom nach
Avignon verlegt, nicht ohne Schaden für ihre Unabhängigkeit. Nachdem
Gregor Xi. gestorben war (1378), zwang das römische Volk die Car-
dinäle, einen Italiener auf den Stuhl des heiligen Petrus zu erheben,
der seinen Sitz wieder in Rom nehme. Der Venetianer Urban Vi.
wurde Papst. Als derselbe aber durch Spott und Unbesonnenheit die
französische Partei und die ihr anhangenden Cardinäle erbitterte, so
wählten diese Clemens Vii. zum Papste und zogen mit ihm nach
Avignon. Die beiden Päpste thaten sich gegenseitig in den Bann und
die ganze katholische Christenheit theilte sich für oder gegen Rom und
Avignon. Als Urban Vi. 1389 gestorben und Gelegenheit war, die
bisherige Trennung beizulegen, so weigerten sich die Cardinäle in Rom,
Clemens Vii. anzuerkennen; sie erhoben daher den Neapolitaner Boni-
faz Ix. auf den Stuhl Petri. Dagegen zeigte sich 1394, als Cle-
mens Vii. starb, die französische Partei unter den Cardinälen eben so
hartnäckig, indem sie Bonifaz Ix. nicht anerkannten, sondern den Car-
dinal Peter von Luna, einen Aragonier, unter dem Namen Benedict Xiii.