1862 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt: Zeit: Mittelalter
- Geschlecht (WdK): Jungen
628 Vierter Zeitraum des Mittelalter?: 1273—1492.
Christen das regelmäßige Fußvolk der Janitsch aren (Jeni-Tscheri,
d. h. die neue Truppe) bildete, welches als eine der vorzüglichsten
Stützen des Ruhmes der Osmanen lange Zeit der Schrecken Europa's
war, während bisher der Kern des osmanischen Heeres aus leichter
Reiterei bestand, deren Ungestüm zwar das offene Land mit Schrecken
erfüllte, aber gegen die Mauern gut befestigter Städte wenig ausrich-
ten konnte.
Bei dem mit jedem Jahre wachsenden Elende des byzantinische,!
Reiches reifte Urchan's Plan, seine Herrschaft auch in Europa durch
bleibende Eroberungen zu begründen. Die Ausführung desselben über-
trug er seinem Sohne Suleiman, welcher (1357) Gallipoli, eine der
wohlhabendsten Städte des byzantinischen Reiches, besetzte und seine
Herrschaft bald nach allen Seiten über Thracien ausdehute. Mitten
unter den Plänen zur Befestigung und Erweiterung des osmanischen
Reiches in Europa starb Suleiman in Folge eines Sturzes vom Pferde,
2 Monate vor dem Vater. Dessen zweiter Sohn,
Murad I. (1359—1389), führte die Eroberungen jenseits des
Hellesponts weiter fort; schon 1361 besetzte er Adrianopel und wählte
diese Stadt zu seiner Residenz, indem er seinem Sohne Bajesid die
Regierung in Asien übertrug. Er zwang die Fürsten von Serbien
und Bulgarien, seine Oberhoheit durch Heeresfolge anzuerkennen und
bald wehten die Siegeszeichen der Osmanen auf den Gebirgen Alba-
niens und au den Ufern der Donau. Zugleich erweiterte Murad die
Grenzen seines Reiches in Asien, so daß sich seine Macht von den
Ufern des Halys bis zu denen der Donau erstreckte. Als die asiati-
schen Besitzungen von seinem östlichen Nachbarn, Ali-Beg, Fürst von
Karaman, der zugleich sein Schwiegersohn war, überfallen und verheert
wurden, eilte Murad selbst aus Europa nach Asien und lieferte dem
Gegner auf der Ebene von Konia 1386 eine Schlacht, welche zu den
merkwürdigsten in der osmanischen Kriegsgeschichte gehört; denn die
Schlachtordnung, welche hier Murad selbst zum ersten Male in An-
wendung brachte, ist das Muster für alle späteren Schlachten geblieben,
in welchen asiatische und europäische Truppen gemeinschaftlich fochten
(auf dem rechten Flügel stand das asiatische Heer, auf dem linken das
europäische, im Centrum die Reiterei, den Vortrab bildeten die Janit-
scharen, der Nachtrab oder die Reserve bestand aus dem Contingente
der europäischen Lehnsträger). Der Sieg blieb nicht lange zweifelhaft;
Bajesid's Heldenmuth, welcher seinen Truppen überall voranleuchtete
und.ein entschlossener Angriff auf das Mitteltreffen gaben den Aus-
schlag zu Gunsten der Osmanen. Ali-Beg sandte in der äußersten
Verzweiflung seine Gemahlin, Murad's Tochter, in das Lager des Va-
ters, um dessen Mitleiden und Verzeihung zu erflehen. So rettete er
den Besitz seines Reiches und dieser letzte Feldzug Murad's in Asien
hatte weniger materielle Resultate, als die moralische Bedeutung, daß
die Macht des einzigen gefährlichen Nebenbuhlers in Kleinasien auf
lange Zeit hin gebrochen war.