1862 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt: Zeit: Mittelalter
- Geschlecht (WdK): Jungen
121. Das byzantinische Reich und die Osmanen.
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der Verzweiflung noch Stand gegen die Uebermachi des hundertmal stär-
keren Feindes. Von beiden Seiten sind die Verluste gleich bedeutend.
Doch ist die Hoffnung des endlichen Sieges selbst jetzt noch auf Seiten
der Griechen. Mit unendlichem Jubel sehen sie die Reihen der Janit-
scharen noch einmal zurückweichen. Aber Mohammed kann diesen Anblick
nicht ertragen, er läßt sie mit Gewalt durch seine mit eisernen Ruthen
bewaffneten Trabanten nach der Mauer zurücktreiben und der Angriff
wird mit erhöhter Wuth zum dritten Male erneuert. Ein Janitschar,
Hasan mit Namen, ein Riese von Gestalt, ersteigt zuerst die Mauer,
Andere folgen ihm. Mit Blitzesschnelle verbreitet sich von einem Ende
zum anderen der Weheruf: „Die Stadt ist genommen, das Panier der
Feinde weht auf den Mauern, auf der Burg!" Sobald Kaiser Con-
stantin dies hört, stürzt er sich mit einigen Getreuen in den dichtesten
Haufen der hereinbrechenden Osmanen, macht alles, was er mit seinem
Schwert erreichen kann, nieder, und hält, mit Wunden bedeckt, fast allein
den Kampf noch eine Weile aus. Er wollte das Unglück seines Hauses
und die Schmach dieses Tages nicht überleben und wich keinen Fuß breit
von der Stelle. Nur hätte er gern den Todesstoß nicht von den Schwer-
tern dieser Ungläubigen, sondern von der Hand eines Christen gehabt.
„Ist kein Christ hier?" rief er in wehmüthiger Verzweiflung, als ihm
das Blut schon in Strömen von Händen und Füßen floß und seine
Getreuen rund um ihn herum als Leichen den Boden deckten; ist Kei-
ner hier, der mir das Haupt abschlügt?" — Da dringen drei Janit-
scharen zu gleicher Zeit auf ihn ein; der eine zerfleischt ihm von vorn
das Gesicht, der zweite spaltet ihm das Haupt und der dritte gibt ihm
den Todesstoß in den Nacken. Da sich der Kaiser vorher der Zeichen
seiner Würde entkleidet hatte, so blieb sein Körper, von Niemand er-
kannt, unter den Leichen der übrigen Erschlagenen liegen. Das war das
Ende des letzten Beherrschers des byzantinischen Reiches, welcher damals
kaum sein vierzigstes Jahr überschritten hatte und schon durch die Art,
wie er das Unglück seines Reiches, welches, gleichsam das traurige Erb-
theil der Jahrhunderte, auf ihm lastete, zu ertragen wußte, den Besse-
ren seines Stammes würdig zur Seite steht.
Im Innern der Stadt dauerte indessen das Blutbad fort. Denn
die Osmanen machten Anfangs, in dem Glauben, daß die Besatzung
wenigstens 50,000 Mann stark gewesen sein müsse, Alles nieder, was
ihnen begegnete. Erst als sie ihres Jrrthums inne wurden, zogen sie
es vor, lieber die ganze Bevölkerung in Fesseln zu schlagen und in die
Sclaverei zu schleppen. Um dieser zu entgehen, strömte Alles, Män-
ner und Weiber, Mönche und Nonnen, in die Sophienkirche, welche in
wenigen Augenblicken überfüllt war. Nur das Leben und die Freiheit
wollte man retten. Denn einer alten Prophezeiung zufolge herrschte
unter dem Volke der Glaube, daß die Türken nur bis au die Säule
Constantin's des Großen Vordringen würden. Hier sollte ihnen ein
Engel entgegentreten, welcher einem unbekannten Manne aus dem Volke
ein Schwert überreichen würde, mit dessen Hülfe er die Osmanen aus
Pütz. Histvr. Darstell, u. Charakteristiken. 71. 41