1864 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Geschlecht (WdK): Jungen
1. Charakter der neuern Zeit.
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nächsten deren Blütezeit; von ihm lernten Frankreich, Deutschland und
die Niederlande, und wie es im Alterthum und Mittelalter in ver-
schiedener Beziehung die Beherrscherin der Menschheit war, so wurde
cs in der neueren Zeit die Lehrerin Europa's.
Zugleich erhielt die ganze Kriegsverfassung eine Umgestaltung
durch die allgemeine Anwendung des Schießpulvers und die
Einführung stehender Heere.
Die Kunde des Schießpulvers, wovon bei den Chinesen und
den alten Indern schon früh bestimmte Spuren sich Nachweisen lassen,
haben die Mauren mit nach Spanien gebracht und dasselbe war schon
um die Mitte des 13. Jahrhunderts in verschiedenen Ländern Europa's
bekannt, ohne daß man die Kraft seiner Elasticität kannte oder an-
wandte. Die Erfindung der Feuerwaffe (Kanonen, Mörser) und ihre
Anwendung zum Schutz von festen Plätzen, woher der Naine Geschütz,
wird um das Jahr 1380 gesetzt und namentlich deutschen Mönchen als
Erfindern zugeschrieben, unter denen Berthold Schwarz der bekannteste
ist, der bald nach Freiburg oder Nürnberg, bald nach Mainz, Köln
oder Goslar versetzt wird. Allein schon im Anfänge des 13. Jahr-
hunderts wird das Geschütz von den Arabern in Spanien gebraucht
und kam von da zunächst (um 1342) nach Flandern, von hier nach
Frankreich, wo es die mit den Flamändern verbündeten Engländer schon
unter Eduard Iii. bei Belagerungen anwandten. Die erste Ausbildung
erhielt das Geschützwesen in Frankreich unter Ludwig Xi., in Deutsch-
land unter Maximilian I. (s. Nro. 9) — Das kleinere Feuergewehr
(Flinten) kömmt unter dem Namen Luntenröhren oder Feuerbüchsen
schon im 14. Jahrhundert, namentlich im schwäbischen Städtekriege
vor. Im Anfänge des 15. Jahrhunderts werden sie unter den Namen
Handbüchsen, Handschlangen erwähnt, später als Hakenbüchsen (arque-
buse), weil sie beim Abfcuern auf eine Gabel oder Bock gelegt wur-
den. Im Jahre 1411 haben die Schweizer schon 4000 Handfeuer-
waffen, die 25—28 Pfund schwer waren, während in andern Heeren
die Schützen noch die Armbrust vorziehen.
Den ersten Grund zu den stehenden Heeren legte König Karl Vii.
von Frankreich durch die Errichtung einer stehenden Reiterei (der Or-
donnanz Compagnicen) und eines nationalen Fußvolkes, welches von den
Freiheiten, die es genoß, den Namen Freischützen (francs-archers)
erhielt, vgl. 2. Bd., S. 608 f. Der vorher verachtete und völlig ver-
nachlässigte Jnfanteriedicnst kam wieder zu Ehren, und der Adel, welcher
bis jetzt hauptsächlich die Reiterei gebildet hatte, verlor den Geschmack
am Kriegsdienste, weil er weder zu Fuß fechten, noch in gleicher Stel-
lung mit dem gemeinen Manne dienen wollte. Von jetzt an entschied
weniger die Tapferkeit einzelner Kühnen und Starken, als ganze Massen,
weniger persönlicher Muth und Kraft, als der Geist, der die Massen
leitete. Die Taktik wurde neu geschaffen und die Strategik erhielt
eigentlich erst ihr Dasein. Die Kriegsführung wurde zur Wissenschaft
erhoben, als deren Theile sich eine ganz neue Befestigungslehre, das