1864 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Geschlecht (WdK): Jungen
Deutschland unter Maximilian I.
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streiften, und ans der andern Seite seine Theilnahme an den Angelegen-
heiten Italiens, Hülfe von den deutschen Ständen zu verlangen. Die
Deutschen waren jedoch gegen den Zusammenhang ihres Reiches mit
Italien schon so gleichgültig geworden, daß der Einfall der Franzosen
in dasselbe (s. S. 36) ihnen kein so dringender Gegenstand der Be-
rathung zu sein schien, als die Herstellung und Begründung der Ord-
nung und des Friedens in Deutschland. Besonders die Städte erklär-
ten sich gegen jede Geldhülfe, bevor nicht Friede, Recht und Ordnung
im Reiche aufgerichtet wäre. So preßten die Stände der Verlegenheit
des Königs den ewigen Landfrieden und Verordnungen zur Aufrecht-
haltung und Handhabung desselben ab. Zuerst wurde der sogenannte
königliche Landfriede von Worms am 7. August 1495 bekannt
gemacht. Durch denselben wurden alle Befehdungen bei Strafe der
Reichsacht auf ewig verboten; wer einem Landfriedensbrccher Unter-
stützung oder Vorschub irgend einer Art leisten würde, wurde mit dem-
selben in eine Klasse gestellt.
Da in Folge des ewigen Landfriedens Jeder mit seinen Ansprüchen
gegen einen andern an die Entscheidung der Gerichte gewiesen wurde,
so war die Errichtung eines höchsten Reichsgerichts für die unmittelbaren
Reichsstände, welche ihre Streitigkeiten bisher mit den Waffen ausge-
macht hatten, nothwendig. Der natürliche Richter wäre eigentlich der
König und das competente Gericht das an dem Hoflager desselben be-
stehende Hofgericht gewesen, allein die Stände verlangten ein von dem
königlichen Hoflager unabhängiges und in einer dazu bequem gelegenen
Stadt des Reiches fest angeordnetes Reichsgericht, an dessen Besetzung
sie selbst Theil nehmen wollten. Mit dem königlichen Landfrieden wurde
daher zugleich die Kammergerichts-Ordnung publicirt. Das Ge-
richt erhielt einen Kamm erricht er, der entweder ein geistlicher oder
weltlicher Fürst oder doch wenigstens ein Graf oder Freiherr sein mußte,
zum Präsidenten, und sechszehn sogenannte Urtheiler zu Beisitzern,
die zur Hälfte aus Doctoren beider Rechte, zur Hälfte aus Rittern
bestehen sollten. Ihre Ernennung hing zwar vom Könige ab, aber mit
dem Rathe und der Einwilligung der versammelten Stände. Dadurch,
daß das Kammergericht in erster Instanz nur für die unmittelbaren
Reichsstände bestimmt war, und die Klagen der Unterthanen nicht
anders annehmen durfte, als in Fällen, wo dieselben an den unmittel-
baren Ausspruch des Königs appelliren konnten, erlitt die Gerichtsbarkeit
der Reichsstände über ihre Unterthanen durch das Kammergericht keine
Beeinträchtigung. Maximilian selbst eröffnete am 31. October 1495
zu Frankfurt das ueue Kammergericht, zu dessen erstem Präsidenten der
Graf Friedrich von Zollern ernannt worden war. Zum Zwecke der
Handhabung des Landfriedens und der Vollziehung der Kammcrgerichts-
Urtheile kam 1512 eine neue Eintheilung des Reiches in zehn
Kreise zu Stande. In jedem der zehn Kreise wurde ein Hauptmann
mit einigen Räthen angestellt, um nicht bloß den Landfrieden zu hand-
haben, sondern auch die Urtheile des Kammergerichts zu vollziehen.