1864 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Geschlecht (WdK): Jungen
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25. England unter den vier ersten Tudor's.
vcrurtheilt und hingerichtet, ohne daß seine Ankläger ihm gegenüber
gestanden hätten.
Aber der Protector fand durch seines Bruders Hinrichtung die ge-
hoffte Ruhe nicht. Bei Einführung der neuen Liturgie brach in vielen
Grafschaften ein furchtbarer Aufstand aus. Denn auf zu rohem Wege
war die Reformation in England eingebrochen; eilf Zwölfthcile der
Nation hingen noch am alten Glauben. Entsetzliche Hinrichtungen er-
folgten in mehreren Grafschaften, aber die Unterdrückung der gefähr-
lichsten Empörung gelang am Ende nicht dem Protector, sondern dem
Grafen Warwick. Dieser trat dem Protector von nun an furchtbar
gegenüber und hatte um so leichteres Spiel, als Frankreich durch die
Gährungeu in England sich zu einer Kriegserklärung bestin,men ließ.
Auch von dieser neuen Verlegenheit trug Sommerset die Schuld. Er
hatte seinem Könige und England die schönste Aussicht für die Zukunft
zu bereiten gedacht, indem er eine Vermählung seines unmündigen
Eduard mit der fungen, ebenfalls unmündigen Königin von Schott-
land vermittelte, welche keine andere als Maria Stuart war. Allein
der Widerwille der Schotten und die unbändige Hast, womit der Pro-
tector die Sache betrieb, bewirkten gerade das Gegentheil, einen Krieg
mit Schottland und die Vermählung der jungen Königin nach Frank-
reich. Sommersells Sturz war die Folge von so vielem Mißlingen,
kaum daß er sein Leben rettete. Als er ein paar Jahre darauf seine
Wiederherstellung versuchte, fiel sein Kopf. Warwick trat an seine Stelle
und schloß Frieden mit Schottland und Frankreich.
Graf Warwick stieg zum Herzog von Northumberland; er beherrschte
das Königreich ohne Nebenbuhler, was ihn quälte, war die Sorge um
Dauer seiner Macht. Denn die Gesundheit des jungen Königs erlitt
durch Masern und Blattern eine plötzliche Erschütterung. Kein Zweifel,
daß die Lunge angegriffen war. Welches Schicksal harrte Northumber-
land's, des eifrigen Fortsetzers der Reformation, wenn Alaria Königin
ward, sie, die eine dreifache Unbill, die Leiden ihrer Mutter, ihre
eigenen und ihrer Glaubensgenossen zu rächen hatte! Northumberland
fand ein Gegenmittel. Die Parlamentsbeschlüsse, welche Maria und
Elisabeth wegen ihrer Geburt ausschlossen, waren noch nicht ausgehoben.
Im Testamente Heinrich's Viii. hatte die Linie der jüngern Schwester
des Königs, Maria, ein Vorzugsrecht vor der älteren Linie erhalten.
Auf dieses Vorzugsrecht baute Northumberland alle seine Plane. Maria
hatte als Herzogin von Suffolk zwei Töchter geboren. Die ältere
Francés heirathete Henry Gray, der zum Herzog von Suffolk erhoben
ward. Aus dieser Ehe entsprang als älteste Tochter Johanna Gray.
Diese ersah Northumberland zur Gemahlin für seinen Sohn Lord
Guilford Dudley und zur künftigen Königin. Ein blutjunges Paar,
beide kaum 17jährig. Warum durfte auch am Ende Eduard nicht
thun, was sein Vater that? Er hob die Thronfolge-Ordnung auf, welche
Heinrich's Viii. Testament festgestellt hatte, und erklärte die Schwieger-
tochter Northumberland's zur Thronfolgerin in England. Der junge