1864 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Geschlecht (WdK): Jungen
29. Der Abfall der Niederlande.
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Verachtung aller Bande der Kriegszucht, sich selbst bezahlt zu machen.
Mastricht wurde von ihnen geplündert und mit Gräueln aller Art
erfüllt; Antwerpen, die reichste Stadt der Christenheit, sah sich dem
Muthwillen eines ungezügelten Soldatenhaufens Preis gegeben: 5000
Einwohner kamen durch Feuer und Schwert um, der Werth der ge-
raubten Güter wird auf 4 Millionen, der verbrannten auf eine gleiche
Summe geschätzt. Diese große Beute wurde gleich in den ersten Tagen
vergeudet, einzelne Soldaten verspielten 10,000 Piaster.
Inzwischen hatte der König seinen Halbbruder
Don Juan d'austria,
der 1571 bei Lepanto einen glänzenden Sieg über die Türken ge-
wonnen und deren Seemacht für immer vernichtet hatte, zum Ober-
Statthalter der Niederlande ernannt. Er kam eben in Luxemburg an,
als die spanischen Truppen Antwerpen plünderten. Zu ihrer Vertrei-
bung hatten sich die südlichen mit den abgefallenen Provinzen im Frieden
von Gent vereinigt und jetzt schlossen, mit Ausnahme Luxemburgs, alle
Niederlande die sogenannte Brüsseler Union zur Aufrechthaltung des
Genter Friedens, der Vertreibung fremder Truppen und der Vertheidi-
gung der katholischen Religion. Diese letzte Bedingung hielt die Hol-
länder und Seeländer, welche sich, wie der Prinz von Oranien, der
reformirten Kirche angeschlossen hatten, ab, der Union unbedingt beizu-
treten. Nach langem Zögern entschloß sich Don Juan durch das sog.
ewige Edict (im Februar 1577) die Brüsseler Union anzunehmen, weil
sie nichts gegen den katholischen Glauben und gegen die Rechte des
Königs enthalte, wogegen er von den zu dieser Union gehörigen
Ständen als Statthalter anerkannt wurde. Die spanischen Truppen
verließen das Land unter unbeschreiblichem Jubel des Volkes; nur die
deutschen Söldner blieben. Jetzt trauten die Niederländer dem Statt-
halter und er hielt einen prächtigen Einzug in Brüssel (1. Mai 1577).
Doch die Freude des Volkes war von kurzer Dauer. Don Juan,
von schlechten Rathgebern umringt, strebte nach absoluter Gewalt und,
nachdem er sich zweier fester Punkte (Namur und Charlemont) bemächtigt
hatte, verlangte er unbedingten Gehorsam. Diese Treulosigkeit brachte
Alles unter die Waffen und man schloß sich von Neuem an Wilhelm
von Oranien an, der, namentlich in Brabant, allgemein als Beschützer
und Retter des Vaterlandes begrüßt wurde.
Da der Krieg jetzt auf's Neue entschieden war, brachten die Staaten
ein Heer von 20,000 Mann zusammen. Don Juan rief seine alten,
schon wieder nach Genua zurückgekehrten, spanischen Banden, 6000
Mann stark, zurück, die mit Freuden auf ihren wohlbekannten Schlacht-
feldern neuen Ruhm zu ernten suchten. Sie standen unter dem jungen
Alexander Farnese, Prinzen von Parma, Sohne der vorigen Statt-
halterin Margaretha und des Prinzen Ottavio Farnese. Er war von
gleicher Tapferkeit, aber sanfterer Gemüthsart und einem weit höheren
Grade von Staatsklugheit, Gewandtheit und Menschenkenntniß als sein