1864 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Geschlecht (WdK): Jungen
238 38. Die protestantische Union und die katholische Liga.
die Nachricht ankam, daß der König von Frankreich ermordet worden
sei. Die Union suchte daher durch einen Frieden die Liga zur Nie-
derlegung der Waffen zu bewegen; sie verglich sich zuerst mit dem Erz-
herzog Leopold über die Räumung des Bisthums Straßburg, dann
auch mit dem Herzog Maximilian von Baiern über die gegenseitige
Abdankung der geworbenen Truppen. Die Einigkeit der beiden possi-
direnden Fürsten hörte aber mit der Entfernung der äußeren Gefahr
auf. Zu ihrer Aussöhnung ward zwar eine Vermählung des Pfalz-
grafen von Neuburg mit der Tochter des Kurfürsten von Brandenburg
in Vorschlag gebracht, allein durch eine Ohrfeige vereitelt, welche der
Kurfürst in der Hitze des Zornes und Rausches seinem künftigen
Schwiegersöhne gab. Der Pfalzgraf suchte sich nun dnrch eine Ver-
schwägerung mit dem baierischen Hause und durch den öffentlichen Ue-
bertritt zur katholischen Kirche den Beistand der Liga und der Spanier
zu verschaffen, während der Kurfürst von Brandenburg die reformirte
Religion annahm, um an der Republik der vereinigten Niederlande
eine Stütze zu erhalten. Der jülich'sche Successionsstreit hatte also
für die Stellung der beiden Religionsparteien die Folge, daß die Ka-
tholiken durch den Uebertritt des Pfalzgrafen von Neuburg eine be-
deutende Verstärkung ihrer Macht bekainen. Da die jülich-clevischen
Lande im Vergleich zu Xanten 1614 zwischen dem Pfalzgrafen von
Neuburg und dem Kurfürsten von Brandenburg getheilt wurden, so
brauchte keine Partei über die Gebietsvergrößernng der anderen neidisch
zu sein.
Dieser Erbfolgestreit ging daher vorüber, ohne, wie im Anfänge
gefürchtet ward, den allenthalben angehäuften Stoff der Zwietracht zu
entzünden; der Anstoß zu einer allgeineinen Störung der Ruhe von
Europa kam vielmehr von den österreichischen Erbländern und von der
noch immer fortdauernden Entzweiung und Zerrüttung des habsburgi-
schen Hauses her. Rudolf Ii. war gegen seinen Bruder Matthias und
selbst gegen seinen Vetter Ferdinand zu aufgebracht, um einem von
diesen beiden die Nachfolge in Böhmen zu gönnen; er dachte dieselbe
dem Erzherzog Leopold, welcher Bischof von Straßburg und Passau
war, zu, und ließ zur Ausführung dieses Planes im Passauischen ein
Heer zusammenziehen. Das Mißtrauen der Böhmen sah in diesen
Truppen ein Werkzeug zur gewaltsamen Unterdrückung der ihnen ge-
machten Bewilligungen; sie waren daher auf Widerstand gefaßt, als
das passauische Heer in ihr Land einrückte, und riefen des Kaisers
Bruder Matthias herbei. Der Plan, welcher diesem die böhmische
Krone entziehen sollte, schlug also so unglücklich aus, daß er sie ihm
vielmehr in die Hände spielte. Denn Matthias hielt am 24. März
1611 seinen Einzug in Prag und wurde am 23. Mai gekrönt, nach-
dem er den böhmischen Ständen alle ihre Rechte und Privilegien be-
stätigt und sie darin zu schützen versprochen hatte. Dem Schicksale,
auch noch den Kaiserthron mit einem römischen Könige theilen zu müs-
sen, zu dessen Wahl die Kurfürsten schon einen Tag bestimmt hatten,