1864 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Geschlecht (WdK): Jungen
38. Die protestantische Union und die katholische Liga. 239
entging Rudolf Ii. durch seinen Tod, welcher am 20. Januar 1612
erfolgte.
Durch seine Erwählung zum römischen Kaiser, welche am 13. Juni
1612 Statt fand, vereinigte Matthias alle Kronen Rudolfs Ii. auf
seinem Haupte, allein ohne die Erwartungen zu erfüllen, die man sich
von ihm machte. Die Protestanten, denen er Dankbarkeit schuldig
war, erwarteten eine eben so große Begünstigung von ihm, als die
Katholiken, denen er durch seinen Glauben angehörte. Die Schwierig-
keit seiner Stellung wurde ihm auf seinem ersten Reichstage, der zu
Regensburg 1613 eröffnet ward, fühlbar gemacht. Statt ihm die
verlangte Hülse gegen den Empörer Bethlen Gabor, der sich mit Hülfe
der Türken Siebenbürgens bemächtigt hatte, zu bewilligen, forderten
vielmehr die unirten Protestanten eine Aenderung in dem Verfahren
des Abstimmens über Religions- und Contributionssacheu, um den
Katholiken ihre Stimmenmehrheit unnütz zu machen. Matthias wies
zwar im Reichs-Abschied die Forderungen der Unirten zurück, aber
nicht mit dem Eifer, mit welchem mau ihn gegen die Protestanten zu
erfüllen suchte, und die Macht der Liga, die ihm angeboten wurde,
war mehr ein Gegenstand der Besorgniß, als der Ermuthigung für
ihn. Desto größere Hoffnungen setzten die Katholiken auf des Kaisers
Vetter Ferdinand, einen durch Erziehung und Grundsätze mit dem Her-
zoge Maximilian von Baiern völlig befreundeten und übereinstimmen-
den Mann; sie suchten ihn an die Spitze der österreichischen Macht zu
bringen, und Matthias mußte, um nicht von Ferdinand zu leiden, was
er selbst seinem Bruder Rudolf zugefügt hatte, die Hand dazu bieten.
Die Brüder des Matthias, welche eben so, wie dieser, keine Kinder
hatten, entsagten zu Gunsten Ferdinand's ihren Ansprüchen; er wurde
1617 zum designirten König von Böhmen gekrönt, und dem Beispiele
dieses Landes folgte Ungarn im Anfänge des folgenden Jahres, ohne
im geringsten Schwierigkeiten zu machen. Um auch den Weg zu Fer-
dinand's Erwählung zum römischen Könige zu bahnen, suchte der Kai-
ser die Union und zugleich mit dieser die Liga aufzuheben; allein statt
sich aufzulösen, erneuerte vielniehr die Union am 23. April 1617 ihre
Verbindung auf drei Jahre.
Ferdinand's Ucberzeugung, daß die neue Lehre zu Aufruhr und
Ungehorsam gegen die Obrigkeit führe, und daß die in den letzten
Jahren über das österreichische Haus hereingebrochene Verwirrung nicht
anders geheilt werden könne, als durch Beschränkung oder Unterdrückung
der Protestanten, suchte sich bald Einfluß auf die Regierung zu ver-
schaffen. Er ließ den ersten Minister und Liebling des Kaisers, den
Cardinal Clesel, welchen er als Urheber der Mäßigung betrachtete,
verhaften und nach Tyrol bringen (1618); er selbst beinüchtigte sich
mit des Kaisers Bruder, dem Erzherzog Maximilian, der Leitung der
Geschäfte. Diese grobe Verletzung seines Ansehens und die Furcht
vor noch größeren Mißhandlungen beschleunigte den Tod des Kaisers
Matthias (20. März 1619); er starb jedoch nicht eher, als bis er