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1. Die Geschichte der neuern Zeit - S. 552

1864 - Köln : DuMont-Schauberg
552 84. Joseph Ii. als politische Gesandte an den Höfen, an welchen sie residirten. Gleich im Beginn dieser kirchlichen Anordnungen kündigte Papst Pins Vi. zur großen Ueberraschung des Kaisers an, daß er persönlich nach Wien kommen werde. Dem Kaiser war dies ungelegen, er wollte dem Besuche Vorbeugen. Auch mehrere Cardinäle widerriethen die Reise. Pius Vi. aber vertraute auf den Zauber, der in seiner Würde lag, auf seine einnehmende Persönlichkeit, er hoffte die Menge zu begeistern, den Kaiser zu entwaffnen. Die Reise glich wirklich einem Triumphzuge. Joseph selbst, der dem Papste entgegengefahren war, führte ihn in Wien ein; und während eines vicrwöchentlichen Aufenthaltes daselbst waren die Bewohner der Stadt und Umgegend in unaufhörlicher Be- wegung, um seines Segens theithaftig zu werden. Das Zuströmen der Fremden in Wien war so groß, daß man Mangel an Lebensmitteln befürchtete. Die Feierlichkeiten des Osterfestes, die Communion und das Fußwaschen am grünen Donnerstage in der Stephanskirche gaben dem Papste Gelegenheit, seine hohepriesterliche Würde in verschiedenen Stellungen immer gleich vortheilhaft zu zeigen; er erschien im vollen Ornate, die dreifache Krone auf dem Haupte, drei Cardinäle und zwei Bischöfe zur Seite, auf dem Altan der Jesuitcnkirche, vor welcher 50,000 Menschen gedrängt standen, setzte sich auf einen dort errichteten Thron und stimmte mit weit hallender Stimme die Absolutionsformel an, welche die Hof-Chorsänger fortsetzten. Als er darauf, nach Ablegung der Krone, an die Brüstung trat, mit andachtverklärtem Auge ein inbrünstiges Gebet sprach, dann aber gegen die zur Erde gesunkenen Tausende die Rechte erhob, um sie im Namen des dreieinigen Gottes zu segnen, da wurden auch solche, die ihn nicht als ihren Oberhirten verehrten, wider ihren Willen von dein Gefühle der gläubigen Menge ergriffen. Die Menge hatte der Papst allerdings begeistert, das ka- tholische Gefühl neu belebt und so einen Zweck seiner Reise erreicht, aber der andere Zweck, den Kaiser umzustimmen, ihn auf dem Wege kirchlicher Reformen aufzuhalten, scheiterte gänzlich. Kaiser Joseph überhäufte den Papst mit Ehrenbezeugungen aller Art; aber auf Verhandlungen ließ er sich nicht ein. Er bat den Papst, seine Erinnerungen schriftlich mitzutheilen, er glaube übrigens, daß seine Verordnungen die katholische Lehre gar nicht beträfen, und er werde sie mit unerschütterlicher Standhaftigkeit fcsthalten. Als der Papst Wien verließ, um über München noch Rom zurückzukehren, begleitete ihn der Kaiser bis Mariabrunn. Sie trennten sich nicht ohne Rüh- rung; aber noch am selben Tage erschienen kaiserliche Commissaricn im Kloster Mariabrunn und hoben es auf. Zwischen dem kaiserlichen und dem päpstlichen Hofe hatte ein lebhafter, gereizter Briefwechsel Statt; man befürchtete einen Bruch, als Kaiser Joseph plötzlich unerwartet in Rom erschien. In einem Gespräch daselbst mit dem spanischen Ge- schäftsträger, Ritter von Azara, traten des Kaisers geheimste Gedanken an das Licht; er theilte dem Spanier mit, daß er das Kirchenwesen seiner Monarchie gänzlich von Rom losreißen, die Oberherrschaft Roms
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