1864 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Geschlecht (WdK): Jungen
646 96. Napoleon's erste Feldzüge in Italien, 1796 und 1797.
den Papst. Er hatte, sagten die Franzosen, die Bedingungen des Waffen-
stillstandes gebrochen, er hatte sich zuletzt unverhehlt gerüstet und die
Sendung des österreichischen Generals Colli, zur Anführung seiner
Truppen angenommen; was war also natürlicher, als daß er sich jetzt
noch härtere Bedingungen, als im Waffenstillstände gefallen lassen
mußte? Der Friede zu Tolentino, vom Sieger dictirt, kostete dem
Kirchenstaate, in Frankreich Avignon und Venaissin, in Italien Bologna,
Ferrara und Romagna und außer den im Waffenstillstände versproche-
nen Summen circa 15 Millionen Franken; woneben noch mehrere feste
Plätze den Franzosen zur Sicherheit eingeräumt werden mußten.
Bonaparte war seinerseits auch sehr zufrieden, diese Diversion so
schnell beseitigt zu haben, denn schon sammelte sich wieder ein öster-
reichisches Corps, an dessen Spitze man den in Deutschland siegreichen
(s. Nr. 97) Erzherzog Karl gestellt hatte. Eiligst wandte er sich jetzt
gegen denselben, drang über die Alpen in Kärnthen ein; focht siegreich
bei Tor ris und gelangte Ende März nach Steiermark, besetzte Kla-
gensurt, und bedrohte von Judenburg aus, wo er sein Hauptquartier
aufschlug, Wien, das nur noch neun Poststationen entfernt war.
Die Lage Bonaparte's wurde indessen auch mit jedem Tage ge-
wagter, obgleich er so glänzende Erfolge in 20 Tagen errungen. Ihm
gegenüber stand die österreichische Armee unter Erzherzog Karl, die täg-
lich durch den Zufluß von großen Menschenmassen anwuchs; er selbst
80 Stunden von Mantua, der letzten französischen Festung, entfernt
und von ihr abgeschnitten durch eine 40 Meilen lange Strecke rauher
Gebirge; hinter denselben Laudon's Corps und 60,000 in Masse auf-
gestandene Venetianer, deren Neutralität schmählich verletzt worden war;
hinter seiner rechten Flanke ein feindliches Corps bei Triest; vor sich
ein unermeßliches Lager von Oesterreichcrn und Ungarn, die sich in
Masse erhoben hatten, um Wien zu decken; und hinter ihnen das gut
befestigte Wien selbst, das seine Bürger bis auf den letzten Blutstrop-
fen zu vertheidigen gelobt hatten: und so von Menschenmassen um-
schlungen, auf einem unfruchtbaren Boden zwischen Gebirgen — nur
noch auf zehn Tage Brod in den erbeuteten Magazinen und ohne alle
Nachrichten von den Heeren, die ihm die Hände bieten sollten! Während
eines sechstägigen Waffenstillstandes bot er den Oelzweig des Friedens.
Das österreichische Ministerium nahm ihn aus seiner Hand (als wollte
es seine Verlegenheit nicht bemerken). Die Präliminarien wurden im
Schlosse Eckenwalde bei Leoben in Steiermark am 18. April unter-
zeichnet und der Waffenstillstand zur Abschließung des Friedens auf 6
Monate (bis zum 18. Oct.) verlängert.
Daß man am Rhein keine Erfolge von österreichischer Seite zu
erwarten hatte, zeigte sich bald hinlänglich (s. Nr. 97). Daher wurde
der Desinitiv-Friede wirklich mit dem Ausgange der sechs Waffenstill-
stands-Monate (17. Oct. 1797) unterzeichnet, und zwar auf einem
zwischen Udine und Passeriano gelegenen adeligen Gute, Campo-Formio.
Der Kaiser trat darin die österreichischen Niederlande an die französische